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Texte zu Kunst und Philosophie
ISSN 1437-3777

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Christoph Kammertöns: Elias Canettis Masse und Macht – ein »Skandalon«?

1 Einleitung

Anlässlich einer »Re-Lektüre« zu Elias Canettis »Hauptwerk« Masse und Macht urteilte die NZZ am 22.5.2010, das Buch habe »seine Leser schon immer verwirrt: Ein Roman ist es nicht, doch ebenso wenig wird es den Ansprüchen der Wissenschaft gerecht«. Damit folgt die Zeitung unter anderem (1) der – allerdings sehr differenzierten – Problemanzeige Theodor W. Adornos, der 1962 im Gespräch mit Canetti »ein methodologisches Problem« anmerkte:

»Einem Denkenden wie mir, ganz gleich, ob er sich nun Philosoph oder Soziologe nennt, ist bei Ihrem Buch zunächst einmal auffällig, und [...] ein wenig auch ein Skandalon das, was ich die Subjektivität des Ansatzes nennen möchte.« (Canetti 2005, S. 142 [Adorno])

Adorno geht es hier explizit nicht um einen Angriff auf »die Freiheit der Subjektivität, daß also dieser Gedanke sich nicht schon vorweg bindet an vereidigte Spielregeln der Wissenschaft«, sondern um »den Ausgang von den Subjekten«, genauer um »den Ausgang von Vorstellungsweisen« (ebd.) dieser Subjekte.

In der Tat ist der Diskursgegenstand ›Masse‹ resp. ›Menschenmasse‹, ›Massengesellschaft‹ etc. ohne die beteiligten Subjekte (und seien sie nur zu einem Aggregat zusammengetan) nicht denkbar. Zudem ist die Konjunktur des Nachdenkens über das Phänomen Masse sogar stark mit der Reflexion aus der Masse heraus verknüpft: Der in den letzten hundert Jahren vielstrapazierten Begrifflichkeit um (Menschen-)›Masse‹ bzw. um die Prozessualisierung zur ›Vermassung‹ ist seit dem Kaiserreich und intensiv in der Weimarer Republik ein selbstreflexives Moment eigen. Dabei bezieht sich diese Selbstspiegelung vor dem Hintergrund einer zeittypischen sprachlichen Metaebene (2) auf empirische (wirtschaftliche und soziale, damit soziologische) und auf psychologische Phänomene, die zudem eine philosophische Einordnung nahelegen.

Der Reflektierende verortet sich mit seiner Betrachtung u.a. sozial. So macht Per Leo wesentliche Perspektivenwechsel seit dem 19. Jahrhundert aus. Während dort noch »aus der distanzierten Vogelperspektive des Feldherrenhügels oder des Elfenbeinturms« heraus über die Masse als »amorphe[n] Bevölkerungshaufen« geurteilt worden sei, verlagere sich nach dem Ersten Weltkrieg die »Betrachterposition in die Masse« hinein, um bis zum Zweiten Weltkrieg als drittes Moment die »Beobachtungsrelationen zwischen den Einzelnen« in den Fokus zu nehmen (Leo 2007, S. 263f., Hervorh. i. Orig.).

Über ›Masse‹ zu reden, setzt voraus, zunächst zu klären, was der Begriff bezeichnet. Dessen Bedeutung ist keineswegs so eindeutig wie vermeint: »Was Masse ist, glaubt jedermann zu wissen [...]. Nun ist ›Masse‹ nicht einfach gleichbedeutend mit einer Menge von Menschen, sie ist ein politisierbarer Begriff«, der gekennzeichnet sei durch eine fremd zugewiesene Gerichtetheit »auf ein bestimmtes Ziel« (Stadler 2003, S. 14). Ähnlich äußert sich bereits Mitte des 20. Jahrhunderts H. de Man: Dem »soziologische[n] Begriff der Masse« hafte »im heutigen Sprachgebrauch eine gewisse Unklarheit an« (de Man 1952, S. 41). Im Kern sei die Masse »Quantität ohne Qualität. Sie ist im Hegelschen Sinne nicht Subjekt, sondern Objekt: Auch wenn sie glaubt zu schieben, wird sie noch geschoben« (ebd., S. 44). Im Sinne Leos scheint hier die Perspektive des 19. Jahrhunderts durch, der ein bürgerlicher Abwehrreflex innewohnt.

In empirischer Hinsicht wird der ökonomische Modernisierungsprozess seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im Sinne einer Vermassung beschreibbar, etwa mit der Vervielfachung der Beschäftigtenzahlen im Bergbau des Ruhrgebiets oder der dortigen Expansion der Gussstahlproduktion.(3) Das einhergehende Bevölkerungswachstum in Ballungszentren bzw. die Urbanisierung einschließlich moderner Verkehrs- und Kommunikationssysteme brachte mit der Konzentration von Menschenmassen an Arbeits- und Wohnorten auch eine Dynamisierung sozialer Konflikte mit sich (vgl. Bruch u.a. 2000, S. 108ff.). Der Einzelne erfuhr sich nun als Teil einer großen Organisationseinheit: »Der Begriff ›Großbetrieb‹ wurde bereits durch die Zeitgenossen von der Wirtschaft auch auf andere Lebensbereiche übertragen« (ebd., S. 129).(4)

Die Massengesellschaft war entsprechend bereits im Kaiserreich Diskussionsgegenstand, und dieser wurde in der »politisch polarisierte[n], von Klassenkonflikten durchzogene[n] Gesellschaft der Weimarer Republik« (Nachtwey 2017, S. 17) als nicht nur soziale, sondern auch psychologisch aufgeladene Selbstreflexion intensiviert beibehalten.(5) Den Umstand »räumliche[r] Verdichtung« sieht Paul Nolte in Anlehnung an Georg Simmel in einem reziproken Verhältnis zur Dichte sozialer Kontakte: Mit »der größeren physischen Nähe« ging »die Intensität von Kontakten verloren: Auf der Straße begegnete man vielen, aber diese vielen waren vor allem Fremde« (Nolte 2000, S. 108). Dies sei als bedrohlich wahrgenommen worden: »In der Zeit der Weimarer Republik verstärkte sich die Furcht noch, daß in der neuen Gesellschaft, deren unaufhaltsames Vorrücken man fasziniert registrierte, Bindungen verloren gehen würden [...]« (ebd.). Nolte verweist in diesem Zusammenhang auf Fritz Langs Film ›Metropolis‹, der 1926 »Faszination und Angst« angesichts »großstädtische[r] Menschensammlungen« ästhetisch gebündelt habe (vgl. ebd., S. 109).

Indes sei die »Wahrnehmung von ›Massen‹« keineswegs neu, spiele sie doch »seit der Zeit des Vormärz eine wichtige Rolle, besonders in intellektuellen Diagnosen der Gesellschaft [...]« (ebd., S. 118). In den 1920er Jahren schließlich habe der »überwiegend negativ besetzt[e]« Begriff »›Masse‹ Konjunktur [...] im öffentlichen Diskurs« und »in einer eigens auf dieses Phänomen konzentrierten Debatte innerhalb der Sozialwissenschaften [...]« (ebd., S. 119) gehabt. Ebenso spiegelt sich der Diskurs in der Essayistik und Publizistik, generell in der Literatur der Zeit lebhaft und weltanschaulich divergent wider.(6) Demgegenüber ist der Begriff ›Macht‹ ein Abstraktum, das im oben geschilderten Diskurs keine ähnlich konjunkturelle Aufladung erfahren hat bzw. empirisch wesentlich vermittelter als das Sinnfällige der Masse in Erscheinung tritt. Dessen ungeachtet ist auch dieser Begriff denotativ und konnotativ vielfältig besetzt, wie noch darzustellen sein wird, und findet sich bei Canetti bereits im Buchtitel Masse und Macht mit dem Begriff der Masse zusammengespannt.

Vor diesem vielfältig aufgeschlossenen Panorama lässt sich die Position Elias Canettis in Masse und Macht als individuell entfaltete, literarisch orientierte darstellen. Peter Friedrich (1999) betont Canettis Sonderstellung: »Adornos Verdikt« eines »Skandalons« sei »durchaus gerechtfertigt«. Jedoch geht Friedrich auf Adornos Differenzierung (s.o.) zunächst nicht ein, sondern exemplifiziert das Skandalon durch eine fehlende (wissenschaftlich vertretbare) Ansiedlung, die »den theoretischen Ort« bezeichnen würde, »von dem aus gesprochen wird« – heißt: von dem aus Canetti spricht. Canetti bediene sich »literarische[r] Techniken [...], die auf einer ›freien‹ Anwendung sprachlicher Mittel beruhen, aber trotzdem niemals in Fiktionen einmünden« (Friedrich 1999, S. 9).

Unter Rückgriff auf »Foucaults Diskursbegriff« verortet Friedrich Canettis Masse und Macht im literarisch getragenen »Modus des Dementis« – mit der Opposition gegen eine »von Machteffekten« getragene Wissenschaftlichkeit (vgl. ebd., S. 11) im Zeichen eines »›dezisionistische[n]‹« Wahrheitsanspruchs (vgl. ebd, S. 21). Canetti wende sich gegen ein von »Machtanwendung« getragenes »Zeichenregime« im Sinne einer »patriarchalische[n] ›Werkherrschaft‹« (vgl. ebd., S. 22 [einschl. Fn], Hervorh. i. Orig.).(7)

Ziel der Arbeit soll sein, Canettis Anspruch in Masse und Macht vor dem Hintergrund der vorgängigen geistesgeschichtlichen Diskussion insbesondere seit Anfang des 20. Jahrhunderts wie auch vor dem Hintergrund der Kritik (u.a. Adorno) und gewissermaßen der ›Exegese‹ (u.a. Friedrich) gewichtet einzuschätzen. Die Leitfrage der Untersuchung lautet dann:

Nimmt Canetti mit Masse und Macht mit einer literarisch basierten »›synkretistischen Form‹« (Friedrich 1999, S. 9) tatsächlich eine Sonderstellung, gar die eines wissenschaftstheoretischen »Skandalons«, ein?

Grundlage jeder Beurteilung muss sein, zunächst die Begrifflichkeit um ›Masse‹ differenzierter zu fassen, wozu insbesondere ein soziologischer Bezug auf Theodor Geiger hilfreich erscheint, ebenso jene um ›Macht‹, um im Abgleich Canettis Masse und Macht zu resümieren und einzuordnen. Dieser Abgleich soll schließlich im Sinne der Leitfrage mit Bezug auf Adorno, Friedrich und weitere Literatur ergebnisorientiert fokussiert werden.

2 Die vielfältigen Implikationen der Begriffe ›Masse‹ und ›Macht‹

2.1 Begriffliche Unschärfe

Es ist charakteristisch für Canetti – und zweifellos mitverantwortlich für die oben angeführten Bedenken Adornos –, ein Buch zum Thema ›Masse‹ mit keiner begrifflichen Verortung anzufangen, sondern mit einer verallgemeinernden psychologisierenden Befindlichkeitsverortung: Unter der Hauptüberschrift »Die Masse«, der als Subüberschrift »Umschlagen der Berührungsfurcht« beigegeben ist, hebt Canetti an:

»Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Berührung durch Unbekanntes. Man will sehen, was nach einem greift, man will es erkennen [...]. Überall weicht der Mensch der Berührung durch Fremdes aus. [...] Alle Abstände, die die Menschen um sich geschaffen haben, sind von dieser Berührungsfurcht diktiert. [...] Diese Abneigung vor der Berührung verläßt uns auch nicht, wenn wir unter Leute gehen.« (Canetti 1982, S. 9, Hervorh. i. Orig.)

Und sogleich überrascht der Autor mit einer Paradoxie (die er im »Umschlagen« aufzuheben sucht). Denn wer erwartet hatte, dass die Massenansammlung von Menschen diese Furcht ins Extreme steigern müsste, wird überraschend anders beschieden:

»Es ist die Masse allein, in der der Mensch von dieser Berührungsfurcht erlöst werden kann. Sie ist die einzige Situation, in der diese Furcht in ihr Gegenteil umschlägt. Es ist die dichte Masse, die man dazu braucht, in der Körper an Körper drängt, dicht auch in ihrer seelischen Verfassung, nämlich so, daß man nicht darauf achtet, wer es ist, der einen ›bedrängt‹. Sobald man sich der Masse einmal überlassen hat, fürchtet man ihre Berührung nicht. [...] Wer immer einen bedrängt, ist das gleiche wie man selbst. Man spürt ihn, wie man sich selber spürt. Es geht dann alles plötzlich wie innerhalb eines Körpers vor sich. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum die Masse sich so dicht zusammenzuziehen sucht: sie will die Berührungsfurcht der einzelnen so vollkommen wie nur möglich loswerden. [...] Dieses Umschlagen der Berührungsfurcht gehört zur Masse.« (Canetti 1982, S. 10, Hervorh. i. Orig.)

Also gerade die Masse als ›dichtes Drängen‹ (und Berühren!) von »Körper an Körper« hebe die »Berührungsfurcht« auf! Diese Paradoxie(8), die man durchaus als rhetorisches Concordia-discors-Beispiel auffassen kann, wird späterhin noch unterstützt durch die Repetitio: »Es soll nichts dazwischenstehen, es soll nichts zwischen sie [die Masse] fallen« (ebd., S. 26).

Canetti befleißigt sich in der Tat kaum einer wissenschaftlich basierten Sprache, sondern eher einer literarisch dem Leser zugewandten: Das familiäre ›wir‹ (aufgehoben in: »einen« bedrängen, »man selbst«, »uns« etc.) verhindert die überindividuelle wissenschaftliche Distanz und ersetzt sie durch die Verallgemeinerung des ›ich‹ im ›wir‹ als »man«. Auch verweist die häufige Expressionssteigerung durch Kursivierung, die eher einer Leseemphase gleichkommt, als einer begrifflichen Kennzeichnung, auf eine literarische Orientierung (es hat den Anschein, der Autor nähme leseemphatische Quasiunterstreichungen für einen mündlichen Vortrag vor).

Schließlich wird die Masse gar personalisiert in einem Wollen: Sie »sucht«, »sich dicht zusammenzuziehen«, »sie will [...] loswerden« und konzentriert sich in diesem Zuge aus der, definitorisch eigentlich unerlässlichen, »Vielheit« (Geiger, s.u.) zur Einheit »innerhalb eines Körpers« (s.o.). Unter der Überschrift »Die Eigenschaften der Masse« bekräftigt Canetti diese Personalisierung der Masse: »1. Die Masse will immer wachsen. [...] 3. Die Masse liebt Dichte« (Canetti 1982, S. 26, Hervorh. i. Orig.). Selbstredend ›sucht‹, ›will‹ und ›liebt‹ eine Masse – zumal den Anspruch eines wissenschaftlichen Sprachgebrauchs vorausgesetzt – nichts, weil das Suchen, Wollen, Lieben etc. immer erst individuellen Ursprungs ist. Auch würde man eine Vielheit betreffend nicht von deren Todesereignis sprechen (vgl. »[...] die privaten, ungleichen Ziele« bedeuteten den »Tod der Masse«, ebd., womit ja nicht gemeint ist, dass mehrere Individuen der Vielheit stürben, sondern dass das Konstrukt ›Masse‹ sterbe). Etwas psychologisch, ja psychoanalytisch (9) Spekulatives scheint hier nicht weit. Und es sei vorweggenommen, dass Canetti in der Tat auch im Verlauf des Buches nicht zu einer konzisen Präzisierung des Begriffs Masse (auch nicht des Begriffs Macht) finden wird, dies wohl auch nicht will oder beansprucht.

Eher ergeht er sich in rhetorischen Bekräftigungsformeln, die zwar die Emphase, nicht aber etwas prägnant Gemeintes herausstellen. So lässt sich die (oben bereits teilzitierte) redundante Thesenfolge: »Die Masse liebt Dichte. Sie kann nie zu dicht sein. Es soll nichts dazwischenstehen, es soll nichts zwischen sie fallen, es soll möglichst alles sie selbst sein.« (ebd.), als ›Repetitio‹ mit beschwörender Wirkung auffassen, die an einen intensivierten biblischen Autoritäts-Duktus des Sollens anschließen mag (etwa an den der Schöpfungsgeschichte: »Da befahl Gott: ›Licht soll aufstrahlen!‹, und es wurde hell. [...] Dann befahl Gott: ›Im Wasser soll ein Gewölbe entstehen [...]!‹ So geschah es!« (Gen 1,3 u. 6-7, GN) (10).

Auch am Beispiel von Canettis Fassung des Begriffs ›Macht‹, dem anderen titelgebenden Bestandteil neben Masse, zeigt sich Canettis ›schriftstellernder‹ Umgang: Wiederum treibt den Autor keine skrupulöse Definition um. Die etymologische Einordnung erfolgt in einem Satz, ohne dass darauf weiter Bezug genommen würde: »Das Wort selbst leitet sich aus einer alten gotischen Wurzel ›magan‹ für ›können, vermögen‹ und ist mit dem Stamm ›machen‹ überhaupt nicht verwandt« (Canetti 1982, S. 313). Die definitorischen Anstrengungen beschränken sich auf die Anlagerung an und die Abgrenzung von »Gewalt«, wobei anhand einer »Katze und Maus«-Allegorie der Charakter der Macht als »allgemeiner und geräumiger als Gewalt« (ebd.), als »nicht mehr ganz so dynamisch« herausgestellt wird, worauf ein unvermittelter Schlenker zur religiösen »Befehlserwartung« (ebd., S. 314) folgt.

Um aus dem geschilderten Vorgehen eine eigene Qualität und Stoßrichtung Canettis herausarbeiten zu können, erscheint es zunächst wesentlich, vorgängige Ansätze darzustellen, die gerade um eine lautere begriffliche Eingrenzung bemüht sind. Der Fokus soll auf der soziologischen Annäherung liegen.

2.2 Begriffliche Konkretisierung: Canetti und exemplarische frühere Zugänge

2.2.1 Masse

Bereits Theodor Geigers autoritatives Werk Die Masse und ihre Aktion von 1926 (Geiger 1967)(11) tritt einem unscharfen, insbesondere unscharf psychologisierenden Zugang zum Phänomen Masse vehement entgegen, indem er die verbreitete Wertschätzung von Gustave Le Bons Psychologie der Massen von 1895 (Le Bon 2016) als unangemessen brandmarkt:

»Noch heute hat unbegreiflicherweise Le Bon's ›Psychologie des foules‹ klassischen Ruf; ihre Halbwahrheiten spuken in nahezu allen soziologischen Arbeiten, die sich mit dem Massenproblem beschäftigen.« (Geiger 1967, S. VII, Hervorh. i. Orig.)

Indes leugnet Geiger Probleme der Rationalisierung des Phänomens Masse nicht, das er zentral mit der Revolution verknüpft sieht:

»An der unbestrittenen Irrationalität der Revolution und der Masse findet die Wissenschaft eine Grenze. [...] wohl aber kann [die Wissenschaft], die Existenz des Irrationalen anerkennend, versuchen, soziale Lebensvorgänge bis auf ihre letzten irrationalen Elemente zu zergliedern.« (Geiger 1967, S. VIII)

Geigers Zugang ist denn auch eine der asymptotischen Näherung, deren Verve durch einen psychologisch irrationalen Restabstand zum rationalen Ziel nicht geschmälert wird. Entsprechend beginnt er mit der »Kritik des Sprachgebrauchs«, dem er eine vorherrschende »Verworrenheit« attestiert (die er allerdings generell bei »soziologische[n] Bezeichnungen wegen der Lebensnähe der Gegenstände« und der »Ungenauigkeiten der Umgangssprache« ausmacht, vgl. Geiger 1967, S. 1).

»Den mannigfachen und [...] abweichenden Vorstellungen, die das Wort Masse ausdrückt«, liege gemeinsam »das Bild eines ungegliederten Komplexes nicht zählbarer, jedenfalls nicht gezählter, gleichartiger Teileinheiten« zugrunde, womit sich Geiger »in der Physik« absichert (vgl. ebd., S. 1f. Hervorh. i. Orig.), der er für eine »sinnlich wahrnehmbar[e] Ansammlung« gültig sogar die Wirkung einer »Wucht« entlehnt:

»Wo diese Vorstellung der bloßen räumlichen Anhäufung von Menschen sich verbindet mit dem Gedanken an jene eigenartige, solchen Menschenhaufen innwohnende Wucht, nähern wir uns – in überraschender Parallele zur Sprache der Physik – soziologischen Denkinhalten. Auch im soziologischen Sinne gebraucht enthält Masse stets den Gedanken der Vielheit nicht als solche unterschiedener Einzelner und der Formlosigkeit des durch sie gebildeten Ganzen.« (Geiger 1967, S. 3)

Masse kann indes nicht nur als »große Zahl«, sondern auch als »jegliche Menschenvielheit, auch von relativ geringerer Zahl«, gefasst werden, womit sich Geiger bei Simmels Begriff der Masse verortet, »der sie gleich Gruppe setzt, indem er allerdings nur ›zur Vielheit verbundene‹ Einzelne ›Masse‹ nennt und diese Verbundenheit als kausal für bestimmte, nicht aus den Potenzen des Einzelnen erklärbare Kräfte, Vorgänge und Erscheinungen erkennt«.

Dabei ist die Vielheit durch größere Komplexität gekennzeichnet, als es die ledigliche »Antithese ›Individuum – Masse‹« scheinen lassen könnte. Hier macht Geiger Le Bon als Ursprung psychologisch grundierter Unterkomplexität aus (vgl. ebd.), zu der dieser auch durch die unzureichende Unterscheidung von »homogenen« und »inhomogenen Massen« beitrage, während doch ein streng soziologischer Zugang der einzig angemessene sei:

»Eine soziologische Untersuchung der Masse muß von einem Massenbegriff, der Masse als eine besondere Art von sozialem Verband mit Objektivcharakter faßt, nicht nur ausgehen, sondern sich auch auf ihn beschränken, will sie nicht Ungleichartiges miteinander vermengen und im Ergebnis so verworren und zulänglich sein, wie die Literatur es tatsächlich ist.« (Geiger 1967, S 6, Hervorh. i. Orig.)

Die genannte Art von Verband ist als »objektive[s] soziale[s] Wesen« mit »Gruppe« gleichbedeutend (vgl. ebd., S. 7) und als Gruppe wiederum »ein nicht unmittelbar wahrzunehmendes Kollektivwesen, dessen Objektivcharakter [...] aus den Wirkungsweisen des Verbandes zwingend folgt« (ebd., S. 8). In der Gruppe machen sich als »notwendige Konstitutionsprinzipien jeder Gruppe« »zwei Gestaltungsprinzipien« geltend: »Gemeinschaft und Gesellschaft«. Während Gesellschaft für »Verbundenheit durch die Ordnung« steht, kennzeichnet Gemeinschaft »die seelische Verbundenheit der Mitglieder zu einem Kollektivwesen«. Insofern sei »das Wir des Verbandes in den Mitgliedern ebenso seelisch gegründet, wie das Individuum mit seinem Ich im Wir des Verbandes [...] wurzelt [...] « (ebd., S. 9 , Hervorh. i. Orig.).

Mit dieser skrupulösen – und hier bereits auf Grundzüge reduzierten – begrifflichen Einordnung sind wir bei Geiger bereits im dritten Kapitel angelangt und haben wenig mehr erreicht, als der Beziehung zwischen Individuum und Masse die beanspruchte Komplexität zu konzedieren, die Geiger sonst als unterschätzt wahrnimmt (s.o.). Canettis oben bereits zitierte Behauptung:

»Sobald man sich der Masse einmal überlassen hat, fürchtet man ihre Berührung nicht. [...] Wer immer einen bedrängt, ist das gleiche wie man selbst. Man spürt ihn, wie man sich selber spürt. Es geht dann alles plötzlich wie innerhalb eines Körpers vor sich [...]«,

gewinnt vor der Begründung des ›Ich-Wir-Verbands‹ als dynamisches Wirkungsgefüge im Sinne Geigers mit einem Mal jene Plausibilität, die über ein dekoratives Paradoxon hinausweisen kann. Canetti kann direkt am Anfang des Buches also eine These präsentieren, der gewissermaßen ein Duzend Seiten plausibilisierenden Vorlaufs fehlt. Indes führt dieser Vorlauf Geiger als sehr vorsichtigen Autor nur zur ungleich maßvolleren Herausstellung des Wirkungsaspekts von Masse:

»Wir haben im ersten Abschnitt nicht umsonst uns mit dem Sprachgebrauch pedantisch beschäftigt. So schludrig er ist – überall zeigt sich, daß die entscheidende Vorstellung nicht die Menge der Einheiten, sondern die dynamische Qualität des Ganzen ist. Insofern ist aus der physikalischen Bedeutung von ›Masse‹ für den Soziologen am meisten zu lernen.« (Ebd., S. 13)

Wo ein psychologischer Wirkmechanismus nach wohlweislichen Präliminarien explizit ansprechbar sein könnte, bescheidet sich Geiger mit einem Verweis auf die Physik. Was für ein Unterschied zu Canetti, der ohne Zögern und als Allererstes mit der menschlichen Gefühlsregung »Furcht« gleichsam losstürmt!

Dabei ist nicht die Betonung einer Gefühlsregung notwendigerweise anrüchig, die auch andere Autoren im Zusammenhang des Themas Masse (und Macht) gewählt haben. So macht auch Peter Stadler »Masse und Macht« in der »Dialektik dieser beiden Stich- und Schlagworte« initial an einem Gefühl fest, dem der Wut:

»Im revolutionären Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts verlor [... das ...] Schema des Ablaufs – Erhebung der Massen, Repression durch Staatsgewalt – seine Gültigkeit: die Masse überbordete bereits in der ›grande peur‹, den Bauernerhebungen des Sommer 1789, in welchen die angestaute Wut und Frustration über Ungleichheiten sich entluden [...]« (Stadler 2003, S. 13)

Indes gerät Stadler hier nicht selbst in den Rausch der von ihm beschworenen Gefühlswelt, sondern urteilt – ähnlich wie Geiger –, man komme »zu einem Definitionsproblem. Was Masse ist, glaubt jedermann zu wissen, ohne sie doch genau definieren zu können. Leider versagt hier auch das Lexikon ›Historische Grundbegriffe‹, das uns einen Artikel über diesen wichtigen Begriff vorenthält [...]« (ebd., S. 14)(12).

Ein oben exemplarisch vorgestelltes wissenschaftlich skrupulöses Nähern an den Begriff der Masse ist Canettis Sache nicht, wie angedeutet wurde und unten noch unter dem Aspekt des ›Schriftstellerns‹ ausgeführt wird. Indes lassen sich natürlich alle vorgängigen Ansätze im einzelnen hinsichtlich ihres Untersuchungsfokus und ihrer Methodik kritisieren, wie Stefan Strucken darstellt: Sei es, dass die Bedeutung für das Individuum und der Aspekt des Verhaltens gegenüber dem Primat der bloßen großen Ansammlung unterbelichtet bleiben, sei es ein normativer Fokus »durch eine äußerst negative Haltung der Masse gegenüber« – oder sei es das Verlassen »gebotene[r] Neutralität« in den Bereich der Wertschätzung, wobei sich die Wertungen auch auf die Figur des mit der Masse verbundenen ›Führers‹ und vor dem Hintergrund jeweiliger zeitgeschichtlicher Ereignisse verstehen (vgl. Strucken 2007, S. 80f.).

2.2.2 Macht

Das oben bereits zitierte Lexikon Geschichtlicher Grundbegriffe (das den Eintrag Masse verwaist beließ) enthält allerdings den umfangreichen Eintrag »Macht, Gewalt«. Oben wurde bereits skizziert, dass Canetti wenig Präzision erzielt, den Begriff ›Macht‹ zu umreißen (dies gelingt ihm nur ex negativo als Abgrenzung vom – ebenfalls wenig präzisen – Gewaltbegriff sowie in der Fokussierung auf die Befehlsgewalt, die indes erst 20 Seiten nach ihrer Einführung umfänglich – wenn auch wiederum stark allegorisch – dargestellt wird).

Die »Einleitung« von Karl-Georg Faber (Faber u.a. 1982, S. 817-820) bezieht sich zentral auf Max Weber, demzufolge Macht »jede Chance« ist, »innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht« (ebd., S. 817 (13)). Hier wie auch für den Begriff ›Gewalt‹, den Faber unter Bezug auf die Brockhaus-Enzyklopädie von 1969 »im modernen Verständnis primär« als »die Anwendung von Zwang« versteht, gilt es jedoch »die beträchtliche Tiefe und Spannweite der wort- und begriffsgeschichtlichen Dimension« zu beachten (ebd.).

Dem Autor geht es um die Konzentration der antiken »Abstrakta ›Gewalt‹ (potestas) und ›Macht‹ (potentia)« über die im Mittelalter sich entwickelnde Monopolisierung von »Machtbefugnissen zugunsten der einen Instanz des Staates« hin zur »Trennung der relativ autonomen Lebensbereiche des mit dem Monopol legitimen physischen Zwanges (Max Weber)(14) ausgestatteten Staates, der unpolitischen bürgerlichen Gesellschaft und der religiös-geistigen Welt« (ebd., S. 818).

Konnotativ tritt mit der Frage nach »Legitimation« seit dem Mittelalter auch die Möglichkeit eines Machtmissbrauchs auf, insofern über die »Rationalisierung des Rechtsbegriffs« die Begriffe ›Gewalt‹ und ›Macht‹ »Sachverhalte bezeichneten, die ohne explizite Legitimation den Verdacht des Unrechtmäßigen an sich trugen« (ebd., S. 819). Zu einer »literatursprachlichen Bedeutungsausweitung – etwa als Macht der Vernunft oder Gewalt der Leidenschaft« treten schließlich »moderne sozial- und politikwissenschaftliche Machttheorien« von u.U. ideologischer Färbung (vgl. ebd. S. 819f., alle Hervorh. i. Orig.).

Für das Verständnis Canettis lässt sich abseits des Weber'schen Basissatzes in dieser Definitionsentwicklung wenig gewinnen. Wenn Friedrich jedoch Canettis Masse und Macht zentral in Foucaults »Modus des Dementis« bzw. der »›Infragestellung‹« (vgl. Friedrich 1999, S. 10ff.) eingebettet versteht, dann wäre Canetti zumindest angesichts seiner Ausführungen zum Begriff ›Macht‹ nicht auf der Höhe Foucaults, der seinen Machtbegriff komplementär zur obigen Definition entfaltet:

»Die Macht gibt es nicht. (...) die Idee, daß es an einem gegebenen Ort oder ausstrahlend von einem gegebenen Punkt irgend etwas geben könnte, das eine Macht ist, scheint mir auf einer trügerischen Analyse zu beruhen und ist jedenfalls außerstande, von einer beträchtlichen Anzahl von Phänomenen Rechenschaft zu geben.« (Röhl 2016, S. 419, mit Bezug auf Foucault 1978, S. 126)

Und an anderer Stelle:

»Unter Macht verstehe ich hier nicht die Regierungsmacht, als Gesamtheit der Institutionen und Apparate, die die bürgerliche Ordnung in einem Staat garantieren. Ebenso wenig verstehe ich darunter eine Unterwerfungsart, die im Gegensatz zur Gewalt in Form der Regel auftritt. Und schließlich meine ich nicht ein allgemeines Herrschaftssystem, das von einem Element, von einer Gruppe gegen die andere aufrechterhalten wird und das in sukzessiven Zweiteilungen den gesamten Gesellschaftskörper durchdringt.« (Röhl 2016, S. 419, mit Bezug auf Foucault 1977, S. 93f.)

An diesen Zitaten soll festgemacht werden, dass der spätere Abgleich mit Canetti kaum ›kongenial‹ den »Modus des Gegensatzes (Widerspruch, Umkehrung, Substituierung)« (Friedrich 1999, S. 10) beglaubigen kann.

Macht lässt sich bei Canetti nämlich sehr wohl im Sinne Webers lesen. Der Begriff Macht beschäftigt Canetti zentral in der guten zweiten Hälfte seines Buches, ab dem Kapitel »Die Eingeweide der Macht«. In einem assoziativen, bildhaften Tableau von »Elemente[n] der Macht« geht es letztlich immer um das Weber'sche Durchsetzen des »eigenen Willen[s]« in einer sozialen Beziehung »auch gegen Widerstreben« (s.o.). Davon zeugt auch die oben bereits eingefügte »Katze und Maus«-Allegorie.

Von einem archaischen »Belauern« von »Beute« bis zum »Eingreifen und Einverleiben« (Canetti 1982, S. 223) vollzieht sich die »Absicht des einen Körpers auf den anderen«, die Absicht der »Berührung«, die zu vermeiden die zentrale Zivilisationsanstrengung sei (vgl. ebd., S. 224, ebenso, wie bereits zitiert, S. 9f.) – dies eine Anstrengung die, wie dargestellt, nur in der dichten Masse vergeht. Die Macht zeigt sich in diesem furchtbesetzen Moment der Berührung nun im Fortgang der Situation:

»Ob ein Widerstand von diesem Augenblick an fortgesetzt oder ganz aufgegeben wird, hängt vom Machtverhältnis zwischen Berührendem und Berührtem ab; aber mehr noch als vom wirklichen Machtverhältnis von der Vorstellung, die der Berührte sich davon macht.« (ebd., S. 224)

Canetti differenziert hier in einem wesentlichen Aspekt die von Weber allgemein gehaltene »Chance« zur Willensdurchsetzung (»gleichviel, worauf diese Chance beruht«, s.o.) in perspektivischer Hinsicht: Die Annahme, unterlegen zu sein (Perspektive des Erleidenden), ist u.U. wesentlicher für den Erfolg von Machtausübung als tatsächliche Überlegenheit oder die entsprechende Annahme des Machtausübenden (dessen Perspektive). Heißt, ein »Widerstand« bleibt u.U. aus und kann Machtausübung erfolgreich erscheinen lassen auch auf Basis einer Suggestion, v.a. Autosuggestion, die ggf. mit den ›realen‹ Verhältnissen nicht kongruent sein muss.

Canetti führt hier den Begriff der »Verhaftung« (ebd., Hervorh. i. Orig.) ein, der, obschon allgemeiner verstanden, seinen assoziativen Ursprung im habeas corpus hat: »Es genügt, die Hand dessen auf der Schulter zu spüren, der zur Verhaftung legitimiert ist, und man ergibt sich gewöhnlich, noch bevor es zum eigentlichen Ergreifen kommt« (ebd.). Hier verschränkt sich Canettis Macht-Begriff sogleich mit einem Gewalt-Begriff im Sinne der »Anwendung von Zwang« respektive, nach Weber, konkret »legitimen physischen Zwanges« (s.o.).

Hier steht auch die sehr ungenaue Abgrenzung Canettis nicht im Widerspruch, der Charakter der Macht sei »allgemeiner und geräumiger als Gewalt«, gleichzeitig »nicht mehr ganz so dynamisch« (s.o.). Man könnte vielleicht sogar stützend anführen, dass sich Macht dispositionell (zumal auf der Ebene o.g. perspektivischer Voraussetzungen) entfaltet und damit in der Tat sowohl allgemeiner als auch weniger dynamisch (nämlich weniger direkt performativ) gesehen werden kann.(15)

3 Das ›Schriftstellerische‹ und Normative bei Canetti

Canetti präsentiert sich tatsächlich also nicht widerspruchsfrei im von Friederich erkannten »Modus des Dementis«, sondern – gerade mit dem Fokus ›Macht‹ – durchaus soziologisch affirmativ im Sinne Webers. Dieser Befund wird auch dadurch nicht geschmälert, dass sich Canetti darüberhinaus mit seelischen Zuständen wie Furcht und mit allegorischen Weitungen der Begrifflichkeiten um Masse und Macht über eine soziologische Perspektive hinaus in die Psychologie respektive Tiefenpsychologie hinein und an einem literarischen Duktus orientiert. Edgar Piel fasst die Mehrfachverortung von Canetti wie folgt zusammen:

»Canetti ist zweifellos und in erster Linie ein Schriftsteller, ein Dichter; ein Dichter allerdings, [...] der einen langen Lebensabschnitt [...] damit verbracht hat, fernab von aller literarischen Ambition ethnologische, anthropologische und sozialwissenschaftlich wichtige Phänomene und Sachverhalte zu erforschen: das Phänomen der Masse und das der Macht und die Art und Weise, wie diese Phänomene von einander ableitbar sind und aufeinander einwirken.« (Piel 1985, S. 38)

Zum Anteil des »Schriftstellers« und »Dichters« trägt Canetti im in obigem Sinne hybriden Werk Masse und Macht auch durch einen Umstand bei, den Bernd Witte herausstellt: »Sein Buch Masse und Macht wimmelt von der Fülle entlegener Mythen und vergessener Gestalten« (Witte 1985, S. 15).

Was aber ist im Sinne Friedrichs das Besondere an der »Canettischen Schreibweise« (Friedrich 1999, S. 156)? Die von ihm behauptete Abwehr eines von »Machtanwendung« getragenen »Zeichenregime[s]« im Sinne einer »patriarchalische[n] ›Werkherrschaft‹«, gar der »Modus des Dementis« (s.o.) müssen entweder in einer verborgenen Schicht liegen oder lassen sich schlicht nicht bestätigen, was resümierend noch geklärt werden soll.

Friedrichs Zugang ist der, Canettis Kritikern – so auch Adorno – einerseits eine korrekte Argumentation zuzubilligen, andererseits verstellten diese sich »die Möglichkeit einer adäquaten Würdigung der Canettischen Schreibweise, weil sie gegenüber der Figur der analogen Ähnlichkeit ›befangen‹ sind« (Friedrich 1999, S. 156). Wenn sich diese Befangenheit darin zeigt, die »expandierende Kraft der Analogie« nicht zu teilen, damit nicht die »prinzipielle Gleichheit« etwa zwischen »Geist und Materie, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Symbolisat und Symbolisant, Realität und Imagination« (ebd.) anzuerkennen, kann man wohl zunächst nur festhalten, dass hier im Sinne einer formal aussagenlogischen Sprachbasis das Bemühen durchschlägt, insbesondere den empirischen, soziologisch wie psychologisch bedeutenden Gegenstand ›Masse‹ nicht der formalen Untiefe ›x = nicht x‹ auszusetzen.

Das lässt sich nicht vorwerfen, und auch Friedrich erhebt hier keinen Vorwurf – außer diesen, Canettis »Schreibweise« (s.o.) verkannt zu haben: gemeint ist also, ein falsches Urteilsmaß anzulegen (dem Canetti nicht genügen kann/will/muss etc.). Der Begriff »Schreibweise« führt nun unmittelbar zur Frage der Art der ›Autorenschaft‹ bzw. zu der nach der ›Textsorte‹, die produziert wurde (und die nach ihren Regeln beurteilt gehört – was übrigens bereits im Grundherangehen einen hoch affirmativen Zugang im Sinne einer klaren Differenzierung von Textsorten voraussetzt).

Vom Ende aus betrachtet, das etwas unvermittelt als »Epilog« mit der Überschrift »Die Auflösung des Überlebenden« (Canetti 1982, S. 10, S. 523ff.) gestaltet wird, stellt sich Canettis Schreibweise als besorgter Ton von literarischer Dichte dar: Hier (wie aber auch bereits zuvor) schlägt klar ein präskriptiver Ansatz durch, der im Mantel der Sorge verurteilt und (mehr oder weniger implizit) auch fordert.

Die Sphäre der Masse besteht im Gegenüberstehen der »Weltgegenden« bzw. Blöcke »Ost und West« als »starre Aufstellung« von »Doppelmassen« (ebd., S. 524f.) und greift auf den Krieg (bzw. dessen Gefahr) als Massenereignis aus – nicht mehr in dem Sinne massenhafter Menschenbeteiligung an Kriegshandlungen, sondern vor dem Hintergrund von Massenvernichtungswaffen: »Ein einzelner Mensch kann mühelos einen guten Teil der Menschheit vernichten« auf der Basis »technischer Prozesse« [...], die er selbst nicht versteht« (ebd., S. 527). Die Masse Mensch erscheint dann nurmehr als Masse der Opfer im Anschluss an den »Befehl zum Massentod« (ebd., S. 528). Der Befehlende, dessen Macht »größer«, aber auch »flüchtiger als je« sei, strebt dabei ebenso den Tod der von ihm Befehligten an, denn es sei »ein tiefes und geheimes Bedürfnis von ihm, daß auch die Reihen seiner eigenen Leute sich lichten« (ebd., S. 529).

In seinen letzten Zeilen bekommt das Buch (nochmals) einen deutlicheren appellativen Zug, der indes latent sich zuvor bereits durch alle Ausführungen zur Macht als Befehlsmacht zieht. Dieser Zug macht sich am allegorischen »Stachel« fest, einem Bild das unweigerlich die Assoziation des ›Stachelziehens‹ hervorruft. Canetti hatte ungefähr in der Buchhälfte den Befehl mit den charakteristischen Bestandteilen »Antrieb« als Ausführungszwang und »Stachel« versehen (vgl. ebd., S. 338). Nach ausgeführtem Befehl verbleibe dieser Stachel

»in dem zurück, der den Befehl ausführt. Wenn Befehle normal funktionieren [...], ist vom Stachel nichts zu sehen. Er ist geheim, man vermutet ihn nicht, vielleicht äußert er sich, kaum bemerkt, in einem leisen Widerstand, bevor dem Befehle gehorcht wird. Aber der Stachel senkt sich tief in den Menschen, der einen ausgeführt hat, und bleibt dort unverändert liegen.« (Ebd.)

Die tiefe Bedeutung, die allegorisch durch den (tief) versenkten Stachel plastisch vor Augen und ins Verständnis tritt, erschließt sich auch durch ein dichterisches Mittel, eben durch die Allegorie, die in Masse und Macht gehäuft zur Anwendung kommt. Der Befund ist nicht neu und wurde etwa von Justus Fetscher für die Beziehung von Masse und Meer exemplifiziert: »In Masse und Macht taucht schließlich das Meer als erstes natürliches Massensymbol auf. Es verlockt die, die sich einzeln klein fühlen, dazu, in seiner Unermeßlichkeit aufzugehen« (Fetscher 2008, S. 165).

Die Allegorie verstärkt also ein psychisch wirksames Moment, das in Bezug auf den Stachel eben in der ›Tiefe‹ liegt. Hatte bereits das oben eingeführte ›tiefe und geheime Bedürfnis‹ einmal mehr die tiefenpsychologische Grundierung Canettis deutlich gemacht, der hier das Unbewusste am Werk sieht, insofern das Geheime sich nicht nur auf das Verborgene des Wunsches des Befehlenden gegenüber den Betroffenen bezieht, sondern vermutlich auch auf das Geheime gegen sich selbst, so ist auch der ›geheime‹ und ›tiefe‹ Stachel ähnlich verankert: Er wirkt im Sinne der Freud'schen Determinismusannahme, nämlich als Behauptung der dauerhaften Wirksamkeit einer frühe(re)n Prägung: »Es kann Jahre und Jahrzehnte dauern, bis jener versenkte und gespeicherte Teil des Befehls, im kleinen sein genaues Ebenbild, wieder zum Vorschein kommt«. Aber er wird eben sicherlich wirksam werden, da »kein Befehl je verlorengeht; nie ist es mit seiner Ausführung wirklich um ihn geschehen, er wird für immer gespeichert« (Canetti 1982, S. 338).

Wirksam wird er – tiefenpsychologisch offensichtlich im Sinne eines Abwehrmechanismus – in der Umkehr der erlebten Situation: Deren »Wiederherstellen«, jetzt aber »in Umkehrung, ist eine der großen Quellen seelischer Energie im Leben des Menschen. Der ›Ansporn‹, [...] dies oder jenes zu erreichen, ist der tiefste Drang, an Befehlen loszuwerden, was man einmal empfangen hat« (ebd., 339, Hervorh. i. Orig.) – dies freilich mit problematischer bzw. nicht gegebener Erfolgsaussicht, denn: »Der ›freie‹ Mensch ist nur der, der es verstanden hat, Befehlen auszuweichen, und nicht jener, der sich erst nachträglich von ihnen befreit« (ebd.).(16)

Wird implizit hier bereits eine Forderung an den idealerweise ›freien‹ Menschen deutlich (interessanterweise, Befehlen nicht zu ›widerstehen‹, sondern ihnen ›auszuweichen‹)(17), so ergibt sich in den letzten Zeilen des Buches deren Wiederaufnahme, die man als Resümee der Canetti'schen Ausführungen um die Begrifflichkeiten Masse und Macht lesen könnte:

»Der Tod als Drohung ist die Münze der Macht. Es ist leicht, hier Münze auf Münze zu legen und enorme Kapitalien anzusammeln. Wer der Macht beikommen will, der muß den Befehl ohne Scheu ins Auge fassen und die Mittel finden, ihn seines Stachels zu berauben.« (ebd., S. 529)(18)

Beim »Tod als Drohung« geht es nicht unbedingt um eine konkrete Todesdrohung, sondern um eine vermittelte, insofern der »Befehl in seiner domestizierten Form, wie er im Zusammenleben von Menschen üblich ist, nichts als ein suspendiertes Todesurteil vorstellt« (Canetti 1982, S. 528). Die Wirksamkeit der Drohung klärt zugleich, wer der Stärkere ist, worin dann auch der »Ursprung des Befehls« bzw. der Möglichkeit des wirksamen Befehls liegt: »Man gehorcht, weil man nicht mit Aussicht auf Erfolg kämpfen könnte; wer siegen würde, befiehlt. [...] in jedem befolgten Befehl wird ein alter Sieg erneuert« (ebd., S. 337).

Die Möglichkeit indes, dass die Folgsamen sich – und sei es in erinnernder Verspätung – gegen den tatsächlichen alten Sieg oder nur die dazumal zugeschriebene Wahrscheinlichkeit eines Sieges im Falle des Falles auflehnen, ja sich »rächen«, treibt den Befehlenden immer als Angst um, die unbestimmt bleibt, »weil man nie weiß, wann die Bedrohten von Erinnerung zur Aktion übergehen werden«. Canetti prägt für diese Angst den Begriff »Befehlsangst«.

Friedrich schlägt von der Befehlsangst, im Buch rückschreitend verbunden, einleuchtend die Brücke zum »paranoischen Typus des Machthabers«, der sich »die Gefahr mit allen Mitteln vom Leibe hält« (ebd., S. 255), womit »die Dramaturgie des Hegelschen Selbstbewußseins-Szenarios(19) ins völlige Gegenteil« umschlägt (Friedrich 1999, S. 385).

Wenn zuvor zitiert wurde: »Wer der Macht beikommen will, der muß den Befehl ohne Scheu ins Auge fassen und die Mittel finden, ihn seines Stachels zu berauben«, ließe sich so noch – von Canetti vermutlich gar nicht beabsichtigt – ins Auge fassen, dass das ›Beikommen‹ auch den Machtausübenden, den Befehlserteilenden als, letztlich emanziaptorische, Herausforderung trifft, der seinerseits nach Canetti ein Getriebener ist.

Ob nun mit oder ohne Einbeziehung des Machtausübenden: Man möchte meinen, hier ein um den Aspekt des Psychohygienischen bereichertes Sapere aude! Kants wiederzufinden. Dieses mag in seiner Kürze als Beschluss des Buches dramaturgisch merkwürdig und disproportioniert wirken. Der Grund könnte aber in dem Umstand liegen, dass Canetti hier eigentlich noch gar nicht fertig war. Friedrich konstatiert, das Buch breche schlicht ab, und erklärt dies mit der ursprünglicher Planung eines weiteren Bandes (insofern Canetti seinem Literaturverzeichnis eine kurze Vorrede voranstellt, die die Formulierung »[...] Zitate für den vorliegenden ersten Band von ›Masse und Macht‹ [...]« beinhaltet, Canetti 1982, S. 543) (vgl. Friedrich 1999, S. 108). (20)

Einerlei, der Text Canettis erhält so abschließend (dies in Wiederaufnahme bzw. als Finale eines eigentlichen, sonst aber eher impliziten ceterum censeo) eine präskriptive Stoßrichtung. Angesichts dieser wirkt der Bezug zur Masse in der ersten Hälfte des Buches wie ein Präludium zum Thema Macht, das tendentiell eher deskriptiv gehalten ist, bereits aber (nicht eigentlich explizite) Hinweise auf den Aspekt der Macht enthält: So haben die Unterkapitel »Hetzmassen«, »Die Doppelmasse: Der Krieg«, »Die Jagdmeute«, »Die Kriegsmeute«, »Der Islam als Kriegsreligion« bereits zwangsläufig mit dem Aspekt von Machtausübung (in Verbindung mit Gewalt) Berührung. Das Kapitel »Das Deutschland von Versailles« schließlich bringt kurz vor der Übergabe an das Thema ›Macht‹ den Zusammenschluss von Masse, »Heer« als »geschlossene Masse« und »Exerzieren, [...] Empfangen und [...] Weitergeben von Befehlen« (vgl. Canetti 1982, S. 198f.). Canetti erreicht so in geschickter dramaturgischer Anlage des Buches die Fokussierung des Themas Masse auf den Nukleus der Machausübung.(21)

Diesem arbeitet auch die immer wiederholte Konnotation von Masse mit »Angst« in vielerlei Facetten, vor allem der der Berührung bzw. des Berührtwerdens innerhalb der Masse zu (s.o.). Die Übergabe an den Aspekt Macht erfolgt in dem oben genannten Vorgang der »Verhaftung« (s.o.) und in dem »Machtverhältnis zwischen Berührendem und Berührtem« (ebd., S. 224). Dabei spielt keine Rolle, dass das Machtverhältnis mit dem ›Habeas-corpus‹-Befugten objektiv ein anderes ist als jenes mit dem, der einen innerhalb der Masse zufällig berührt. Es ist das unfreiwillige Berührtwerden an sich, das bereits den Aspekt der Machteinwirkung für den, der es erfährt, evoziert.

Ich möchte damit hervorheben, dass Canetti selbst da, wo er scheinbar deskriptiv verfährt (was auf der Basis tiefenpsychologischer Annahmen bereits kaum gelingen kann), tatsächlich präskriptiv sich äußert – nämlich mit dem Appell, den Übergriff des Befehls nicht dulden zu sollen. Das ist ein schriftstellerisch bekenntnishaft mögliches Herangehen; es ist indes kein wissenschaftliches.

Ist aber das der Fokus der Kritik Adornos, der seinerseits nicht unwesentlich normativ auftritt? Er ist es durchaus nicht, im Gegenteil: Wenn Adorno Canetti dahingehend kritisch befragt, begrifflich nicht angemessen zwischen unsichtbaren und realen Massen (dito in Bezug auf die Frage von Macht als die »realer Mächte« oder als »Imagination«; Canetti 2005, S. 142 [Adorno]) zu differenzieren, so tut er dies nicht nur aus Gründen wissenschaftlich orientierter Begriffshygiene oder der »Pedanterie eines Erkenntnistheoretikers« wegen (ebd.), sondern aus einem durchaus normativen Anspruch bzw. aus einer dahinter verborgenen Sorge heraus. Es ist letztlich die »Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei« (Adorno 1997, S. 674), hier explizit die Sorge der »fatale[n], tödlich drohende[n] Färbung wegen, die gerade heute Begriffe wie Führer oder wie Masse so leicht annehmen« und über ein »beschworen«-Werden »in der Gegenwart sich in eine Art von Giftstoff« verwandelten (vgl. Canetti 2005, S. 148 [Adorno]), die in einer Diktatur münden könnte, wie Canetti unmittelbar vorher nahelegt. (22)

Canettis präskriptive schriftstellerische Haltung offenbart sich nicht nur angesichts der Sorge um die Diktaturverwandtschaft von Macht im Sinne von Befehl und Gehorsam, sondern, wie dargestellt, auch in seiner Sorge um Krieg im Zeichen der Massenvernichtung. Es überrascht daher nicht, dass der amerikanische Atombombenabwurf über Hiroshima Canetti massiv bewegte und als Schriftsteller verunsicherte, wie Sven Hanuschek nachzeichnet:

»Die Meldungen über Hiroshima stellten ihn unter einen enormen Rechtfertigungsdruck vor sich selbst. Wozu überhaupt noch Literatur? Dass ›jeder Satz so sein‹ müsste, ›dass er eine Explosion rückgängig macht‹, wie es in einer Aufzeichnung vom 23. August 1945 heißt, ist ein phantastisches, ein undurchführbares Programm. Welche Literatur könnte angesichts dieser Katastrophe bestehen, der ›konzentriertesten‹, die ›je über Menschen hereinbrach‹ und die obendrein [...] von Menschen genau berechnet und bewirkt wurde‹? Bestenfalls soll Literatur nicht nur bestehen können, sondern eine moralische Funktion erfüllen, sie soll ›unentbehrlich‹ sein.« (Hanuschek 2006, S. 29)

Die vehemente Kraft, die Canetti nach Hanuschek in seinem Schreiben freizusetzen erwartet bzw. von sich selbst fordert und die von Susan Sontag als »›massloses Insistieren‹« (nach Marti 1998, S. 31)(23) eingeschätzt wird, mag eindringliche Passagen auch in Masse und Macht erklären, die weit ab von jeder objektivierenden Distanziertheit liegen. Passend zitiert Hanuschek einleitend den Beginn des Kapitels »Der Überlebende«:

»Der Augenblick des Überlebens ist der Augenblick der Macht. Der Schrecken über den Anblick des Todes löst sich in Befriedigung auf, denn man ist nicht selbst der Tote. Dieser liegt, der Überlebende steht. Es ist so, als wäre ein Kampf vorausgegangen und als hätte man den Toten selbst gefällt. Im Überleben ist jeder des anderen Feind, an diesem elementaren Triumph gemessen, ist aller Schmerz gering.« (Canetti 1982, S. 249, Hervorh. i. Orig.)

Die offenkundige psychoanalytische Verbrämung menschlicher Motivationen als in Angst und Abwehr verhaftete erfährt hier eine literarische Überhöhung (bis in das geradezu lyrische Gefüge der Aneinanderreihung stets weiter erläuternder zweiwertiger Sätze – den ersten schlichten Hauptsatz flankierend. Ein sprachhistorisierender Duktus leistet zudem eine Ästhetisierung, die das Paradox der Freude über den Tod anderer, des eigenen Überlebens wegen, als Paradox sprachlicher Schönheit angesichts inhaltlicher Grausamkeit spiegelt: »Freund und Feind vermischt machen das Blachfeld aus, der Haufe der Toten ist ein gemeinsamer« (ebd. S. 250). Zweifellos ist die Wortwahl »Blachfeld« (flaches Feld) und »Haufe« (Haufen) bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – und erst recht zum Zeitpunkt des Erscheinens von Masse und Macht – keine gängige mehr. Hier liegt wohl die Absicht sprachlicher Erhabenheit vor, die sich mimetisch der inhaltlichen Aussage anverwandelt: »Dieses Gefühl der Erhabenheit über die Toten kennt jeder, der in Kriegen war« (ebd.).

Auch lässt sich die Paraphrasierung des Gesagten literarisch konnotiert als über einen größeren Raum gedehnte Repetitio auffassen:

»Diesen Haufen von Gefallenen ringsum steht der Überlebende als Glücklicher und Bevorzugter gegenüber. Daß er sein Leben noch hat und so viele andere, die eben noch mit ihm waren, nicht, ist eine ungeheure Tatsache. Hilflos liegen die Toten, unter ihnen steht aufgerichtet er, und es ist, als wäre die Schlacht geschlagen worden, damit er überlebt. Der Tod ist von ihm auf die anderen abgelenkt worden.« (ebd.)

Hier ist gegenüber dem zitierten Einleitungssatz des Kapitels kein Neuigkeitswert, nicht einmal eine Präzisierung zu finden. Es ist die lediglich sprachrhythmisch bzw. metrisch neugefasste alte Aussage mit der Wirkung einer einschleifenden Bekräftigung, der Überlebende sei ein ›Glücklicher‹, ›Bevorzugter‹, ›Befriedigter‹, ›Triumphierender‹, womit zugleich das subjektive Erleben als Selbstgefühl wie auch als soziale Verortung zum Ausdruck kommt.

Nach Friedrich, der indes andere, ähnlich gerichtete Äußerungen Canettis heranzieht (vgl. Friedrich 1999, S. 377ff.), geht es hier um die »private Situation des Überlebens«. Friedrich verknüpft »Canettis Symbolik des Überlebenden« vor allem mit Bezügen zu Hegel (s. auch oben) und Hobbes, zu denen er Canetti in Widerspruch sieht: »Hobbes Trennung in souveräne und natürliche Macht wird von Canetti [...] negiert. Die private Situation des Überlebens bleibt in der personalen Verkörperung souveräner Macht erhalten« (ebd., S. 377)(24). Auch sieht er ihn in Widerspruch zu Hegel: »Wenn Canetti die heroische Unverletzlichkeit als Angst vor dem Tode als Folge der ›Weichheit‹ des menschlichen Leibes gegenüber Waffen interpretiert [Bezug zu Canetti 1982, S. 250ff. ...], wirkt dies wie eine Verhöhnung des hegelschen Grundsatzes von der Überwindung der biologischen Selbsterhaltungsnatur beim Herrn« (ebd., S. 381).

Diese Bezüge sollen hier als exemplarisch für ein Bemühen angeführt werden, Canetti in Opposition zu einer wohl eher ›rechts-hegelianischen‹ Denkungsart zu setzen (weitere und voraussetzende philosophische und staatstheoretische theoretische Konstrukte eingeschlossen)(25). In dieser wie in anderen Bezüglichkeiten, die Friedrich für Canetti behauptet, liegt jedoch für den Leser immer auch die Zweifelhaftigkeit, inwiefern hier tatsächlich Canettis Rezeption vorgängiger Denktraditionen herausgearbeitet wird oder Friedrich nicht doch eher – in durchaus schätzenswerter Kreativität – Verbindungen stiftet, die konstruiert wirken. Dieser Eindruck entsteht insbesondere dann, wenn Canetti argumentativ somit in das Kampffeld schriftstellerischer Opposition gestellt wird – ein Feld, auf das er sich zumindest hinsichtlich der Normativität von Wissenschaftlichkeit selbst gar nicht begibt.

4 Fazit und Ausblick

Canetti sei »der erste und leider auch einer der wenigen Denker, der die Masse und die Persönlichkeit nicht gegeneinander ausspielt, sondern sie im ständigen Widerstreit und Zusammenspiel im Menschen aufdeckt« (Angelova 2006, S. 77). Penka Angelova rückt auf diese Weise eine Komponente als besonders wertzuschätzen in den Fokus, die sich der Empirie und Operationalisierung prinzipiell entziehen muss: die Persönlichkeit. Ein solches Urteil wird sich am ehesten mit einem ›schriftstellernden‹ Duktus vertragen, insofern es wohl vor allem das Privileg des Schriftstellers ist, Charaktere bzw. ›Persönlichkeit(en)‹ zu konstruieren, eben schriftstellerisch zu (er)zeugen, zu behaupten und – wichtig! – auch zu bewerten.

In zweiter Linie greift hier auch eine methodisch nicht empirisch fundierte Psychologie an, der Canetti sich, wie dargestellt wurde, zumindest implizit mit einer psychoanalytischen Fundierung verbunden zeigt. Es wundert dann auch nicht, dass er gegenüber Adorno eben das Beherzte (eines im Grunde durchaus unsystematischen Zugriffs bei Sigmund Freud) wertschätzt – und zwar mit der Metapher des ›Unerschrockenen‹ (nämlich dessen, der sich von der Forderung eines naturwissenschaftlich geprägten Wissenschaftsverständnisses nicht einschüchtern lässt): In mittelbarer Beantwortung der Gesprächseröffnung durch Adorno greift Canetti dessen Erwähnung Freuds auf:

»Da Sie eigentlich von Freud sprachen, – ich bin der erste, zuzugeben, daß die Art, in der Freud Dinge neu anging, ohne sich von irgend etwas ablenken oder erschrecken zu lassen, auf mich in meiner formativen Periode einen tiefen Eindruck gemacht hat. Es ist sicher so, daß ich von manchen seiner Ergebnisse heute nicht mehr überzeugt bin [...]. Aber für die Art, Dinge anzugehen, habe ich nach wie vor den tiefsten Respekt.« (Canetti 2005, S. 141)

Zweifel Canettis an Freud(26) hatte Adorno bereits einleitend vorweggenommen. Vor allem ordnet er Canetti Freud aber im »Methodischen« zu (worauf Canetti mit obiger Respektbezeugung letztlich bestätigend antwortet). Adorno verortet Canetti mit Parallele zu Freud in einer gewissermaßen unorthodox kreativen wissenschaftlichen Sphäre:

»[...] in einem Methodischen sind Sie sicherlich doch mit ihm einig, nämlich in dem, was er vor allem in der Zeit, als die Psychoanalyse sich noch in ihrem formativen Stadium befunden hat, noch nicht selber etwas ganz Geronnenes war, oft hervorgehoben hat, daß er keineswegs nämlich die Absicht habe, die Ergebnisse anderer etablierter Wissenschaften nun zu verwerfen oder zu bestreiten, sondern nur etwas hinzuzufügen, was in ihnen vernachlässigt sei, und allerdings die Gründe der Vernachlässigung dieses Hinzu-Gefügten hat er als etwas sehr Wesentliches [...] für das Zusammenleben der Menschen selbst aufgefaßt, so wie es bei Ihnen ja auch der Fall ist.« (Canetti 2005, S. 140)

Das »Wesentliche«, der ›psychische Apparat‹, der Determinismus etc. in Freuds Konstrukten kehrt bei Canetti als psychische Disposition im Spannungsfeld der Macht – zwischen Befehl und Gehorsam – und in der Berührung des Anderen in der Masse, die im bloßen Gedachten der Masse (der ›unsichtbaren Massen‹) auch nur mental stattfinden kann, wieder.

Mit diesem Wesentlichen lässt sich wohl Angelovas Kombination der Begriffe Masse, Persönlichkeit, Widerstreit und Zusammenspiel präzisieren. Eine soziologisch fundierte Analyse müsste auf Spekulationen zur »Persönlichkeit« verzichten, ein psychologisch fundierter Zugang hätte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht abseits empirischer Bestätigung Plausibilität verschaffen können. Die Spannung zwischen Widerstreit und Zusammenspiel im Menschen und zwischen Menschen müssten entsprechend belegt werden.(27)

Offenbar hat Canetti dies nicht nötig, weil er eine Synthese leistet, die andere Maßstäbe verlangt. Insofern wird einerseits deutlich, wo Adorno das »Skandalon« sieht, andererseits aber auch, dass er gewissermaßen mildernde Umstände walten lässt und das ganze Gespräch von großer Wertschätzung und von Einverständnis getragen wird. Das Skandalon ist eben nur ein kalkulierter Regelverstoß, der sowohl aus Sicht Canettis als auch Adornos unvermeidlich ist, wenn der Mehrwert, so wie ihn Adorno am Beispiel Freuds exemplifiziert, erreicht werden soll. Der Zugang Canettis ist damit ein methodisch paradoxer, der im wissenschaftlich Unmethodischen methodisch sein Ziel erreicht – nämlich im Sinne Adornos »subjektiv«, damit im »Ausgang von den Subjekten« (s.o.), zu argumentieren. Dies eben nicht in erster Linie subjektiv aus der nicht überindividuell zu erhärtenden Sicht des Autors heraus (wobei diese eine Folge der hier gemeinten Subjektivität sein muss), sondern in der Introspektion in das Subjekt, mit Angelova gesprochen in die Persönlichkeit, die sich jedem überindividuellen Anspruch und dem der Falsifizierbarkeit entziehen muss (was aber dennoch ermöglicht, logisch stringent zu argumentieren).

Diese Sicht weicht von der These Friedrichs ab, Canetti schreibe im »Modus des Dementis«, in Opposition gegen eine »von Machteffekten« getragene Wissenschaftlichkeit mit »›dezisionistische[m]‹« Wahrheitsanspruch, gegen ein von »Machtanwendung« getragenes »Zeichenregime« im Sinne einer »patriarchalische[n] ›Werkherrschaft‹« (s.o.). Graduell plausibel erscheint Friedrichs Einschätzung, wenn sie von der spezifischen wissenschaftsabgewandten ›Andersartigkeit‹ der Psychoanalyse abzuleiten ist:

»Unter Gegenwissenschaft wird eine zuerst in Ethnologie und Psychoanalyse auftauchende Form der Wissenserzeugung verstanden, die für die etablierten Erkenntnisse, für das gesamte Feld der klassischen Humanwissenschaften ein Prinzip der ›Unruhe‹, des ›Infragestellens‹, der ›Kritik‹ und des ›Bestreitens‹ darstellt.« (Friedrich 1999, S. 11 unter Einschluss von Zitaten aus Foucault 1983)

Es ist hier nicht der Ort, die Psychoanalyse genauer im Sinne Foucaults einzuordnen bzw. nicht einzuordnen. Festzuhalten ist sicher, dass die Wirkung einer ›narzisstischen Kränkung‹ für den rational orientierten Menschen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts (auf Basis der Determinismusannahme bzw. der bestimmenden Rolle des Unbewussten) natürlich auch ein wissenschaftliches Selbstverständnis (im Sinne der Gütekriterien: Intersubjektive Verstehbarkeit und logische Stringenz auf Basis distinkter Begrifflichkeiten mit dem Ziel der Ermöglichung einer Plausibilitätsüberprüfung – und je nach Empiriebezug der Falsifikation) erreicht.

Die Entschiedenheit jedoch, mit der Friedrich Canetti in die Opposition ›befördert‹, ist meines Erachtens recht konstruiert, bzw. erscheint die Verknüpfung der Gedanken- und Argumentationsgänge in Masse und Macht mit einem philosophiegeschichtlichen Hintergrund konstruiert. Friedrich konnte zweifellos sehr informierte und in schätzenswerter Weise kreative Querverbindungen herstellen, von denen jedoch nicht recht deutlich wird, dass sie intentional auf Canetti zurückgehen würden. Friedrichs Befund wirkt daher etwas ›aufgebauscht‹. Selbst, wenn man seiner Argumentation nur hinsichtlich der behaupteten ›Dementi‹-Stellung der Psychoanalyse (Bezug Foucault) folgen wollte, so bliebe für Canetti immer noch wesentlich zu berücksichtigen, dass die Psychoanalyse zur Zeit der Entstehung von Masse und Macht bereits als recht ›betagt‹ gelten darf. Ein ›Modus des Dementis‹ wäre durch sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schwerlich transportierbar gewesen (zu Freuds Zeit war das sicher anders).

Es scheint so eher, dass Adorno richtig liegt, der ein gewissermaßen fruchtbares ›Skandalon‹ sieht in der paradoxen Verknüpftheit dargestellter spezifischer Subjektivität mit einer ›unwissenschaftlichen‹ Darstellungsweise (in der Nachfolge Freuds). Damit konstatiert er implizit lediglich ein methodologisches ›Abweichen‹ (aus gutem Grund), wo Friedrich einen Akt des Widerstands ausmacht bzw. die Opposition gegen Macht am Werk sieht.

Möglicherweise kann die Einschätzung sogar noch einfacher erfolgen, nämlich in Hinblick auf das Bekenntnishafte Canettis, das Normative, das auch Adorno richtiggehend einfordert, wenn er sich um den Stellenwert »realer Massen«(28) sorgt – dies vor dem Hintergrund ihrer Diktaturanfälligkeit. Verknüpft mit dem oben erläuterten »Befehlsstachel« und dessen möglicher später Ausgeburt »ganz monströse[r] Taten«(29) ergibt sich letztlich ein Bekenntnis Canettis zu Freiheit und Menschlichkeit, das Adorno abschließend als Hoffnung der Überwindung, gleichsam als ›Bannung des Bösen‹, fokussiert, nachdem vorbereitend dessen ›Losungswort‹ – nämlich ›Befehlsstachel‹ bzw. dessen Erläuterung – gefallen ist:

»[...] der großartige Satz von Nietzsche, daß es gelte, daß der Mensch erlöst werde von der Rache, der spielt ja genau auf den Sachverhalt an, den Sie hier nennen, [...] indem Sie also in Ihrem Buch diesen Bann selber bezeichnen, will Ihr Buch [...] eben dem dienen, daß man dadurch, daß man gleichsam das Losungswort dieses Bannes nennt, das Wort nennt, auf das die Menschen verhext sind, daß es dann doch schließlich einmal gelingt, aus diesem Bann herauszutreten.« (Canetti 2005, S. 163 [Adorno])

Demnach wäre Canetti – und dies mit voller Billigung Adornos – ein bekenntnishafter Schriftsteller, der zentral gegen die zerstörerische Kraft und Wirkung von ›Befehlsmacht‹ anschreibt, nicht aber gegen die normative Macht der Wissenschaft. Der »Modus des Dementis« etc. nach Friedrich würde hier auch kaum Canettis Selbstverständnis entsprochen haben. Zur Erinnerung: »Der ›freie‹ Mensch ist nur der, der es verstanden hat, Befehlen auszuweichen, und nicht jener, der sich erst nachträglich von ihnen befreit« (s.o.). Als ›freier‹ Geist mag Canetti also in der Tat nicht nach wissenschaftlichen Maßstäben geschrieben haben, jedoch nicht in Opposition zu diesen, sondern im ›Ausweichen‹ vor Ansprüchen, die ihm durchaus geläufig sind.

Wenn man oben genannte Gütekriterien (also intersubjektive Verstehbarkeit und logische Stringenz auf Basis distinkter Begrifflichkeiten mit dem Ziel der Ermöglichung einer Plausibilitätsüberprüfung) ernstnimmt, so wird man wohl einräumen müssen, dass das eher assoziative Einkreisen von Begriffen um ›Masse‹ und ›Macht‹ anstelle des Bemühens um eine definitorische Bestimmung in wissenschaftlicher Hinsicht Probleme aufwirft. Aber zweifellos handelt es sich um Kriterien, die Canetti weder vergessen hat noch in Opposition verwirft.

Er nimmt sich also eher die ›Freiheit‹, ihnen ›auszuweichen‹. Genau diese Freiheit kann das Privileg des Schriftstellers sein, der dramaturgisch, in Maßen mäandernd assoziativ und vor allem normativ im Sinne eines Freiheitsbekenntnisses, im Ganzen sprach- und wohlverstanden eigenmächtig sein wesentliches Anliegen zu transportieren sucht. Gerade hier – und in Verbindung mit der oben diagnostizierten methodischen Paradoxie – liegt das schriftstellerische Moment Canettis. Dass sich dieses Moment unter Verknüpfung mit dem (lässlichen) subjektivierenden ›Skandalon‹ – und unter Hervorrufung eines aufmerksamkeitsfördernden produktiven kognitiven Konflikts – so wirkmächtig entfaltet, führt zur Wahrnehmung eines schriftstellerischen ›Stachels‹, eines Stachels, der hier – anders als der destruktive »Befehlsstachel« – eine konstruktiv aktivierende Rezeption ermöglicht.

Im Sinne eines Ausblicks ließen sich ausgehend von Canettis emanzipatorischem Anspruch, der auch in weiteren Werken des Autors darstellbar wäre, gegenwärtige Phänomene wie der politische ›Populismus‹ einordnen (vgl. etwa Werz 2003 und Nachtwey 2017). Dieser kann über vielfältige soziale, ökonomische und kommunikative Implikationen als mit dem Phänomen der ›Vermassung‹ verbunden gesehen werden; dies auf Basis der immer noch aktuellen »Reduktion und Vereinheitlichung des Erfahrungsspielraums des heutigen Menschen« (Garbrecht 2002, S. 103) im Sinne Horkheimers und Adornos, dies ebenso – nur scheinbar widersprüchlich – auf der Basis einer Weitung und Individualisierung im Zeichen multipler virtueller Identität (vgl. Keupp 2009), dies schließlich auch angesichts der Komplexität zwangsläufig konflikthafter globalisierter Migration und folgender Integration (vgl. El-Mafaalani 2018).

Anmerkungen

  1. Es lassen sich weitere Äußerungen des ›Befremdens‹ anführen, so etwa: »Wer einen Kanon der modernen politischen Philosophie erstellen wollte, würde darin Canettis Masse und Macht bestimmt nicht berücksichtigen. [...] Auf die Mehrzahl der Gelehrten wirken Canettis Entdeckungen und Behauptungen bis heute befremdend« (Marti 1998, S. 29).
  2. Zur Zeittypik spezifischer Selbstreflexion vgl. das Kapitel »3. Das Reflexiv-Werden der Weltbilder« in: Schwaikart 1994, S. 21ff.
  3. »Die Zahl der Bergarbeiter stieg allein zwischen 1870 und 1913 von 50 000 auf 400 000«, während sich der Krupp'sche »Gesamtumsatz [...] von 29 Millionen Mark im Jahre 1871 auf 1,5 Milliarden Mark im Jahre 1916/17« verfünfzigfachte (Bruch u.a. 2000, S. 101).
  4. So urteilte Friedrich Naumann 1911 allegorisch: »Der Einzelmensch hört auf, eine Größe für sich zu sein. Er gleicht einem Getreidekorn, das auf dem Gummiband durch das Lagerhaus gefahren wird. Es kann an seiner Stelle springen und tanzen, wird aber während dessen mechanisch weitergeschoben und von den Rändern des Bandes in die Mitte zurückgeworfen, sobald es sich verirrt«, und analysiert im Folgenden bedauernd: »Damit ändern sich die seelischen Zustände des Menschen. Das alte Ideal, für sich allein etwas zu sein, verblaßt und verkümmert. Es war und ist ein schönes hohes Ideal, aber undurchführbar im Massenvolke. Alle Verhältnisse werden vom Gedanken der Organisation, das ist der Regelung der Menge, durchdrungen« (zit. nach Bruch u.a. 2000, S. 129, Hervorh. i. Orig.). Präziser formuliert 40 Jahre später Hendrik de Man den Umstand eines »Mangel[s] an individueller Differenzierung«: »Die Masse ist Quantität ohne Qualität. Sie ist im Hegelschen Sinne nicht Subjekt, sondern Objekt: Auch wenn sie glaubt zu schieben, wird sie noch geschoben. Außer in den seltenen Fällen, wo sie als physische Menge auftritt, erscheinen die biologischen Individuen, die sie zusammenstellen, wie bloße statistische Einheiten [...]. Sie ist nicht schöpferisch, sondern nur empfänglich; sie agiert nicht, sie reagiert nur« (de Man 1952, S. 44).
  5. Paul Nolte diagnostiziert hier das Moment des Erstaunens angesichts von Verkehr, Geschwindigkeit und Vermassung: »Trotz des Soges der ökonomischen und politischen Krise: Die späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre waren eine Zeit des Erstaunens über Bewegung und Dynamik, über den Fortschritt und eine neugewonnene Modernität. Den neuen Rhythmus des Lebens konnte man fast körperlich spüren, und in den großen Städten genügte ein Blick auf die Straße, um die Veränderungen des Alltags sinnlich erfahrbar werden zu lassen. [...] Räumliche Dichte und physische Nähe kennzeichneten diese neue Welt; die Menschen traten nicht mehr als Individuen auf, sondern in großen Mengen und Massen« (Nolte 2000, S. 107).
  6. Vgl. etwa: Mörchen 1973.
  7. Canetti in der ›Opposition‹ zu sehen, ist nicht neu und wurde – mit anderem Fokus- bereits recht drastisch, nämlich als »Aufstand« klassifiziert, dekliniert: »Canettis rationale Abwehr von Religion, mit der er den barbarischen Umgang von Juden- und Christentum mit Befehl, Macht und Tod aufhellt, ging Hand in Hand mit seiner sich intensivierenden Beschäftigung mit den Phänomenen von Macht und später auch von Masse. Damit lag möglicherweise Canettis erster Aufstand gegen Macht und Tod begründet in seiner aufklärenden Erkenntnis vom religiösen Glauben als der Einsetzung barbarischer Legenden in die Kultur und Gesellschaft« (Steyrer 1996, S. 65).
  8. Canetti erklärt die Situation selbst zum Paradox: »Trotz aller Vorsichtsmaßregeln verliert der Mensch die Berührungsfurcht nie ganz. Und da ist es nun sehr merkwürdig festzustellen, daß er sie in der Masse vollkommen verliert. Es ist ein Paradox, das wirklich wichtig ist« (Canetti 2005, S. 143). Ein Angebot macht Canetti allerdings, das Paradoxe aufzulösen: Denn die Berührungsfurcht verliere sich dadurch, dass der einzelne, ganz von der Masse umringt, nicht mehr wisse, »wer es ist, der ihn da bedrängt. In diesem Augenblick fürchtet er sich nicht mehr vor der Berührung durch andere« (ebd.). Allerdings erscheint diese Auflösung psychologisch profaner als die oben im Folgenden dargestellte ›Forderung‹ der Masse, es solle »nichts zwischen sie fallen« (s.o.).
  9. Offensichtlich auch auffindbar in folgenden impliziten Abwehrmechanismen: »Der Henker steht wie jeder, der sich einem Befehl unterwirft, unter Todesdrohung. Aber er befreit sich von dieser Drohung, indem er selber tötet« (Canetti 1982, S. 368); ebenso, wenn auch vermittelter in der Deutung religiös motivierter Selbstkastration bei den Anhängern der »Großen Mutter Kybele« wie auch »der russischen Sekte der Skopzen«: »Der Befehl [welcher Art auch immer] wird hier am Empfänger selber ausgeführt. Was immer einer sonst tut, das Eigentliche, was er zu tun hätte, ist, daß er sich kastriert« (ebd., S. 354ff.). Passend sieht Friedrich, für den sich Canettis Masse und Macht in die »Struktur eines Dementis« (Friedrich 1999, S. 10) einfügt, ebenfalls die Psychoanalyse im Fokus eines »allgemeine[n] Modus des Dementis« (ebd., S. 11) »Unter Gegenwissenschaft wird eine zuerst in Ethnologie und Psychoanalyse auftauchende Form der Wissenserzeugung verstanden, die für die etablierten Erkenntnisse, für das gesamte Feld der klassischen Humanwissenschaften ein Prinzip der ›Unruhe‹, des ›Infragestellens‹, der ›Kritik‹ und des ›Bestreitens‹ darstellt« (ebd. mit Bezug auf Foucault 1983, S. 447). Zum komplexen Bezogen- bzw. Abgestoßensein Canettis gegenüber der Psychoanalyse respektive gegenüber Freud vgl. Fußnote 26.
  10. Deutsche Bibelgesellschaft 1982, S. 3.
  11. Dieses Werk findet in der Literaturliste Canettis (die von Friedrich gezählt »344 Titel« umfasst, vgl. Friedrich 1999, S. 108), mithin auch in seinen Ausführungen keine Beachtung, indes ebensowenig Le Bon.
  12. Anders als Geiger sieht Stadler Le Bon (und ebenfalls Freud) als zu berücksichtigenden Hinweisgeber auf wesentliche Charakteristika der Masse, sofern es um eine gleichsam ärztliche Außensicht geht (vgl. Stadler 2003, S. 14ff.).
  13. Mit Bezug auf M. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, hrsg. v. J. Winckelmann, Tübingen 51972, S. 28.
  14. Mit Bezug auf ebd., S. 29.
  15. Die Nähe zu Weber referiert auch Piel, der auf Canettis Berücksichtigung »in der zweiten, neubearbeiteten Auflage des Internationalen Soziologenlexikons« hinweist: »Methodisch stehe Canetti, indem er auf ›typische Phänomene in ihren reinsten Ausprägungen‹ ziele, Max Weber nahe [...]« (Piel 1985, S. 38).
  16. So lautet die diesem Zitat unmittelbar vorangehende ›gute Nachricht‹: »Nur der ausgeführte Befehl läßt seinen Stachel in dem, der ihn befolgt hat, haften« (Canetti 1982, S. 339, Hervorh. i. Orig.).
  17. Man könnte geneigt sein, hier eine sozusagen unheroische Anspruchshaltung anzunehmen (nicht widerstehen, sondern ausweichen – in folglich weniger explizit widerständigem Duktus). Möglicherweise liegt aber im implizit oder auch explizit aggressiven Akt des ›Widerstehens‹ bereits die Folge des bereits erlittenen Stachels. Die ›Freiheit‹ ist also nicht nachträglich durch ›Selbstbefreiung‹ zu erlangen. Was unberücksichtigt bleibt, ist die Möglichkeit einer gemeinsamen (weder widerständigen noch ausweichenden) Reflexion zwischen allen Beteiligten einer Befehlssituation, die potentiell (und in autoritären Strukturen, von denen Canetti ausgeht, wohl unrealistisch, wie dort aber auch ein ›Ausweichen‹ unrealistisch sein dürfte) zur ›Auflösung‹ des Befehls führen könnte. Worum es Canetti wohl eigentlich geht, ist indes schlicht eine innere Argumentationslogik in Bezug auf die Wirksamkeit des »Stachels«.
  18. Das Auffinden dieser Mittel ist umso dringlicher, als bei Nichtgelingen schwerste Folgen drohen, nämlich die ›monströser Taten‹: »Es ist einfach so, daß jeder Mensch, der in einer Gesellschaft lebt, voll von irgendwelchen Befehlsstacheln steckt. Es können ihrer so viele werden, daß er zu ganz monströsen Taten veranlaßt wird, weil er an seinen Befehlsstacheln erstickt« (Canetti 2005, S. 162).
  19. Vgl. dazu genauer Friedrich 1999, S. 382.
  20. Auch äußert er im Gespräch mit Adorno Absichten zu einem zweiten Band, nämlich solle dieser »viel mehr über Verwandlung enthalten« (Canetti 2005, S. 159). Jedoch lässt sich statt eines ›Abbruchs‹ auch eine Klimaxstrategie behaupten (vgl. folgende Fußnote), der dramaturgische Absichten des Schriftstellers zugrunde lägen.
  21. Im Aufbau des Buches sieht Klaus Manger eine kunstvolle Dramaturgie verwirklicht: »Die Klimax am Ende von Masse und Macht lenkt auf die Komposition des Werkes. [...] Offensichtlich handelt es sich um einen subtilen, kunstvollen Aufbau in diesem Werk, das man das Hauptwerk Canettis nennen kann [...]. Vermächtnis in bestem Sinne, weshalb man es auch als Werk eines Schriftstellers, als sprachliches Kunstwerk gewürdigt sehen möchte« (Manger 1998, S. 158). In das sprachlich Künstlerische fällt auch Canettis Mythenbasierung, die Angelova als Reaktion auf die »Verdrängung des Mythos durch den analytischen Verstand, von Max Weber als ›Entzauberung‹ der Welt bezeichnet«, versteht: »Der Entzauberung der Welt versuchte Canetti durch eine neue ›Verzauberung‹ durch den Mythos entgegenzuwirken, indem er nach einer neuen Form und Prägung des Mythos suchte, die nicht durch Begrifflichkeit sich fassen ließ, sondern in Masse und Macht einen flexiblen, fließenden mimetischen Charakter bekommt« (Angelova 1998, S. 67f., zur Rolle des Mythos bei Canetti vgl. auch: Fetscher 2008). Zur Einbeziehung konkreter Mythen vgl. in Masse und Macht etwa das Kapitel »Selbstvermehrung und Selbstverzehrung. Die Doppelgestalt des Totems« (Canetti 1982, S. 387ff.).
  22. Es ist dann auch zuvor an Canetti, im Laufe von Adornos sich immer mehr fokussierender Argumentation fast eilfertig gewissermaßen einzulenken: »Ja, da würde ich natürlich sagen, daß der Wert, die Bedeutung der realen Massen [»gegenüber dem ganzen Bereich des Symbolischen« – Adorno] unvergleichlich größer ist. Ich würde keinen Augenblick zögern, ich würde sogar soweit gehen zu sagen, daß die Diktaturen, die wir erlebt haben, ganz aus Massen bestehen, daß ohne das Wachstum der Massen [...] die Macht von Diktaturen ganz undenkbar wäre« (Canetti 2005, S. 147). Entsprechend wertschätzt Adorno auch Canettis »Theorie des Befehls, die mir deshalb so eminent aufklärend und wesentlich erscheint, weil Sie etwas aussprechen, was – und ich darf hier wieder vielleicht an unsere ›Dialektik der Aufklärung‹ erinnern – sonst hinter der Fassade der Gesellschaft weitgehend verschwindet, daß nämlich [...] hinter allen sozialen [...] Verhaltensweisen etwas wie die unmittelbare physische Gewalt, also die Drohung der Vernichtung steht« (ebd., S. 161 [Adorno]).
  23. S. auch Fußnote 24.
  24. Ein Bezug zu Hobbes – eingeschlossen eine Haltung der Opposition – wird auch bei Marti hergestellt: »Canetti habe in seinem Schaffen das Ziel verfolgt, die Macht und den Tod zurückzuweisen, so schreibt Susan Sontag. Man wird diesem Urteil beipflichten. Auffällig ist allerdings die tiefe Ratlosigkeit, mit der in der Literatur auf solch unversöhnliche Opposition, auf solch ›massloses Insistieren‹ reagiert wird. Vielleicht sollte man in dem Kontext nicht vergessen, dass die in der Nachfolge von Hobbes stehende politische Philosophie von ihrem Begründer ja genau die Themen der Macht und des Todes als Grundprobleme geerbt hat [...]« (Marti 1998, S. 31, mit Bezug auf Sontag 1985, S. 99: »Zurückweisung scheint für Canetti ein maßloses Insistieren zu bedeuten. Canetti insistiert darauf, daß der Tod wirklich unannehmbar ist, inkommensurabel ist, weil er etwas ist, das außerhalb des Lebens liegt [...].«).
  25. Hier scheint mir für Friedrich in seiner kaum zu bezweifelnden Sympathie für die von ihm bei Canetti beobachtete schriftstellerische Oppositionshandlung eine Nähe zur Haltung Poppers in Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (2 Bde, Orig. 1945, dt. 1975 resp. 1980) aufzuscheinen. Vgl. zur impliziten Nähe Canettis zu Popper auch Angelovas Einordnung von Canettis Bekenntnis zur ›offenen‹ Geschichte anlässlich der ›Wende‹ von 1989 (Angelova 1998, S. 55).
  26. Canetti kritisiert Freud konkret für dessen eingeschränktes Verständnis von Masse, nämlich als geführte mit Bezug zu einem Führer, insofern »Freud eigentlich nur von Massen spricht, die einen Führer haben. [...] Nun gibt es aber [...] auch Massen ganz anderer Art: eine Fluchtmasse zum Beispiel« (Canetti 2005, S. 158). Eine andersgeartete Kritik Canettis betrifft Freuds »Begriff der Identifikation. Ich halte diesen Begriff nicht für völlig durchdacht, nicht für präzis genug, nicht für wirklich klar« (ebd., S. 159). Canetti bezieht sich hier implizit auf Massenpsychologie und Ich-Analyse von 1921 (Freud 1978, übrigens versäumt Canetti in Masse und Macht, Freud in sein Literaturverzeichnis aufzunehmen). Eine Fundamentalopposition zur Psychoanalyse sieht gar Achim Geisenhanslüke bei Canetti gegeben: »Die Psychoanalyse hat in Elias Canetti einen erbitterten Gegner gefunden« (Geisenhanslüke 2008, S. 313). Geisenhanslüke nimmt eine Ablehnung vor dem Hintergrund autobiographischer Herausforderungen bei Canetti an, ebenso vor dem Hintergrund der Selbstvergewisserung: »Die harsche Kritik an Freud nutzt Canetti zur Selbstbehauptung durch die Genese des eigenen Hauptwerkes« (ebd.), Masse und Macht. Die »Kritik« zitiert Geisenhanslüke aus Die Fackel im Ohr, wo in der Tat eine deutliche Abgrenzung gegenüber Freud nachzulesen ist (vgl. Canetti 1985, S. 117ff.) – dies vor allem vor dem Hintergrund, sich nicht verstanden zu fühlen, weil Freud (und Karl Kraus) in ihrer übermächtigen Autorität offenbar die Rezeption alternativer Interpretationsmuster verstellt hätten (vgl. ebd., S. 118). Dass Canetti sich im Gespräch mit Adorno jedoch weit konzilianter gegenüber Freud äußert, mag dem biographisch wesentlich späteren Zeitpunkt der Einlassung geschuldet sein, damit auch dem Umstand, inzwischen sehr wohl beachtet worden zu sein (und, dies ein canettiimmanenter Zusatz: auch dem Umstand, gegenüber Freud und Kraus der ›Überlebende‹ zu sein).
  27. Piels Zusammenfassung aus »der zweiten, neubearbeiteten Auflage des Internationalen Soziologenlexikons« stellt eine hybride Struktur bei Canetti mit dem Prädikat »eigenwillig« heraus: »[...] im ganzen wird Canettis Erkenntnismethode [...] ›in ihrer Verbindung von Theorie und Empirie‹ als recht ›eigenwillig‹ bezeichnet« (Piel 1985, S. 38). Dabei mag das Eigenwillige vielleicht eher in der Verallgemeinerung eines individuellen psychologischen Fokus liegen. In Masse und Macht findet zumindest kein systematisch gewonnener Empiriebezug Eingang.
  28. Vgl. Fußnote 22.
  29. Vgl. Fußnote 18.

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Stand: 10/2018

Der Autor

Dr. phil. Christoph Kammertöns, M.A., Lehrer für Musik, Erziehungswissenschaft und Philosophie, Lehrbeauftragter für Musikwissenschaft an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf. Publikationen: http://kammertoens.info.

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Texte zu Kunst und Philosophie
ISSN 1437-3777