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Texte zu Kunst und Philosophie
ISSN 1437-3777

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Werner Brück: Journées photographiqes de Bienne - Bieler Fototage, 07.-30. September 2007: Ein Rückblick.

Fragestellung

Seit 1997 werden Jahr für Jahr die Bieler Fototage ausgerichtet. Das Festival ist mittlerweile auch über die Schweiz hinaus bekannt. Seine Gründung geht auf die Initiative zweier Organisationen zurück, die „Fous d'images“ (die Fotoverrückten, gegründet 1997) sowie „PasquArt“ (gegründet 1984). Die Veranstalter legten seit je Wert auf Abwechslung; zu ansprechenden Begleitprogrammen (Fotobörse, Bilderauktion, Fotokurse) wurden auch die jährlichen Themenstellungen in interessanter Weise variiert („Mémoires du Vietnam “, „Süden und Migration “, „Wenn die Bilder stehen bleiben… “, „objektiv subjektiv “, „Landschaft(en) / die Natur der Dinge “, „Macht und Freiheit “, „Auf den Spuren der Zeit “, „De la vie à la mort – de la mort à la vie “, „on the road… again “, „Die Rückkehr der Physiognomie/Retour sur la physionomie“).(1)

Das Festival entwickelte sich zum Publikumserfolg. Das zehnjährige Jubiläum zählte 2006 57 teilnehmende Fotoschaffende an 13 Orten, über die 50000-Einwohner-Stadt am See verteilt. 2007 stehen die Bieler Fototage unter dem Motto „Non-Lieu“. Es nehmen nurmehr 17 Fotoschaffende teil: Thomas Adank, Björn Allemann, Dorothée Baumann, Garance Finger, David Gagnebin-de Bons, Sarah Girard, Katrin Hotz, Stefan Jäggi, Patrizia Karda, Eva-Fiore Kovacovsky, Ursula Mumenthaler, Jon Naiman, Christoph Schreiber, Rudolf Steiner, Mikhael Subotzky, Joël Tettamanti, Benoît Vollmer. Hinzu kommen etwa zwei Dutzend Repräsentanten der Schule für Gestaltung Bern und Biel sowie der Ecole Cantonale d’Art du Valais. Die Veranstaltung läuft an zwölf Orten der Stadt: Alte Krone, Boîte A Images, Gewölbegalerie, Ring 10, Loft 26, Galerie Quellgasse 3, Parkplatz bei der Pasquart-Kirche, Musée Neuhaus, Photoforum PasquArt, espace libre, Filmpodium, Lokal Int.(2)

Der Präsentationstext der Bieler Fototage gibt Auskunft zur thematischen Fragestellung:

„Nicht-Orte evozieren eine Art Abwesenheit: Wenn ein Raum nicht belebt und bespielt wird, verliert er seine Sichtbarkeit. Gerade die Moderne hat eine Unzahl solcher Orte hervorgebracht. Im Unterschied zu jenen, welche von ihren Bewohnern geformt wurden und aus welchen Identität und Gemeinschaftsgeist hervorgehen, enthalten Nicht-Orte kaum Spuren des Individuums. Wir durchqueren sie, wir machen von ihnen Gebrauch, ohne dass wir sie uns zu Eigen machen. In den ausgestellten Fotoserien tritt der menschliche Körper in den Hintergrund. Öffentliche Plätze, Banken, Gefängnisse, Labore, Freizeitparks, verlassene Strände, psychiatrische Praxen, Hotels oder Wüsten sind Motive, welche die Frage nach der Verankerung des Individuums in der Gemeinschaft stellen, indem sie architektonischen Strukturen und ihren Einfluss auf den Ort visuell erkunden.“(3)

Die fotografische Aufgabe („Nicht-Ort“) ist paradox. Gerade uncharakteristische Orte sollen über charakterisitische Requisiten, Begehbarkeitsgrade, zeiträumliche Ausdehnungen oder Staffage verfügen, um darstellbar zu werden. Eine methodische Krücke sei die Arbeitsthese der nicht-lebenswerten Näherung an Nicht-Orte, z.B. durch saisonbedingte Entvölkerung, Hässlichkeit, Unwirtlichkeit, angenommene Gefahr. Damit aber bestehen Nicht-Orte vor allem in bewusster Wahrnehmung - die im fotografischen Sehen Parallelen findet. Den Nicht-Ort von der Rezeptionsästhetik zu trennen, das scheint nicht das Anliegen zu sein. Schliesslich stellen „öffentliche Plätze, Banken, Gefängnisse, Labore, Freizeitparks, verlassene Strände, psychiatrische Praxen, Hotels oder Wüsten“ Resultate menschlicher Verfertigung dar. In ihrer Wahrnehmung werden sie in Frage gestellt. Das fotografische Verfertigen von Abbildungen dieser Nicht-Orte steht damit aber gleichfalls zur Disposition, denn das Verfertigen künstlerischer Bilder bezieht sich zuerst auf das Sehen, dann erst auf die behandelten Zusammenhänge menschlichen Daseins.

Ausgewählte Mitglieder der Kunstschulen

Seitens der Schule für Gestaltung Bern und Biel thematisiert Simon Bretscher in seinen Werken „ohne Titel“ den Menschen. Eine abendlich-nächtliche Szene auf einem Fussballplatz konzentriert sich auf eine beleuchtete Person in stärkerer Bewegung. Über ihm Sterne am orangefarbenen Firmament, durchsetzt mit zivilisatorischen Kondensstreifen. Die Regelsysteme des Spiels, des Universums, des menschlichen Handelns verdichten sich so in der einzigen Person, deren Tun poetischen Charakter annimmt. Man könnte sich fragen, wie starr diese Regeln ausfallen und welchen Grad von Freiheit das Individuum an diesem Ort geniesst.

Dass sich ein Ort auch zur Stelle und damit der Nicht-Ort zur Nicht-Stelle verändern kann, zeigen die titellosen Bilder von Fabienne Bartel. In ihnen sehen wir eine Frau in einem Gehäus, das gänzliche Unwirtlichkeit charakterisiert. Dabei zelebriert Frau Bartel gängige Gegensätze. Barfuss zeigt sich die Protagonistin auf den rauhen Holzplanken eines Baugerüstes, in dünnen Stoff gehüllt in kalter Betonarchitektur, auf einem rot drapierten Stuhl vor graublauer Wand, zugänglich durch eine grosse Türöffnung mit quergeführten Barrikaden. In der Hängung nehmen die Proportionen Bezug zum Umraum des Betrachters, wodurch eine Einstiegsmöglichkeit ins Bild geschaffen wird. Encadriert in der schroffen Brutalität eines Rohbaus liefert die Protagonsitin eine Vorausdeutung auf ihr späteres geschlechtlich bedingtes Dasein im häuslichen Umfeld, das sie einschränken und sanktionieren wird. Damit weisen die Bilder von Frau Bartel einen dominant erzählerischen Zug auf. Der Nicht-Ort besteht hier in der Vorwegnahme des von der Protagonistin realisierten Lebensentwurfes.

Céline Fluri geht einen ähnlichen, ebenfalls erzählerischen Weg. Sie konfrontiert den Betrachter mit vergangenen Räumen, an denen sich früher Leben zeigte, das jetzt nicht mehr vorhanden ist. Der Mensch und sein Umfeld wird damit aber zu einem vorübergehenden Phänömen. In der Tradtion der Auren- und Geisterbilderfotografie des späten 19. Jahrhunderts kreuzt eine diaphane weibliche Erscheinung inmitten von Ruinen den betrachtenden Blick. Ein Koffer steht im Hintergrund. Handelt es sich um ein Herumgeistern am Nicht-Ort der Vergangenheit, oder eine Abreise ins Nicht-Hier einer besseren Zukunft? Der Titel „nuit blanche“ jedenfalls zeugt von Schlaflosigkeit und Unruhe.

Mit dem Kuriosum einer digitalen Lochkamera arbeitet Luzia Wantz. Kurios ist das deshalb, weil die Lochkamera als eine der ursprünglichsten fotografischen Apparaturen für den Beginn der Fotografie steht. Auf den hochspeziellen Sensor fielen also Lichtstrahlen mit Abbildern von Personen am Strand. Immer im ähnlichen Blick auf die horizontal querlagendern Dünen vor Schichten aus Meer und Himmel wirkt die Staffage als rhythmische Horizontalgliederung des realen Gegenübers der fotografierten Welt.

Die langen Belichtungszeiten der Lochkameraufnahme steht seit jeher für die bewusste fotografische Exposition und das damit verbundene Warten, während der Verschluss offen ist und die interne fotografische Ursprungsbedingung umgesetzt wird, auf der die Realität des Abgebildeten gründet. Man sollte diesen Rückbezug in der fotografischen Tätigkeit mit der Lochkamera genauer untersuchen, vor deren Bewusstwerdung die Aussenwelt der Kamera irrelevant wird und unscharf. Die Wahrnehmung der von anderen besetzten Aussenwelt ist hier jedenfalls durch die Technik gebrochen, wird zum Nicht-Ort, zugunsten des eigentlichen Handlungslokales, der eigenen und inneren Zeiterfahrung.

Während für Luzia Wantz die Aussenwelt in diesem Sinn unerheblich bleibt, auch wenn sie diese gestalterisch durchdringt, so zeigen die Arbeiten der Reihe „Attente“ von Marie Girard, Schülerin der Ecole Cantonale D‘Art Du Valais (ECAV), eine besondere Spielart der selektiven Wahrnehmung, indem ein Figuren umgebender Umraum stark weichgezeichnet wird (weitere Bilder: 1, 2). Die Unschärfe ergibt ein Kontinuum, in das die Figuren eingesetzt scheinen wie in Giessharz.

Überstrahlungen und ausufernde Schattenumrisse verschaffen den Figurengrenzen kontrastierende Deutlichkeit. Zeitlich scheinen sich die konkreten Figuren diffus auszubreiten und Umraum zu beanspruchen. Es handelt sich hier jedoch nicht um einen von Handlung definierten Bereich, sondern um persönliche Geltung per se, unabhängig von jeder zwischenmenschlichen Interaktion. Denn die Figuren sind in der Mehrzahl räumlich voneinander getrennt, zeigen vor allem kompakte Körperformen in gleichmässigen Kolorit, ohne formauflösende modische Strukturen, ohne Ausgriffe durch Gliedmassen. Sie stehen mit dem Rücken oder frontal zum Betrachter, in einer bildflächenparallelen Raumebene, die durch die geringe Schärfe des weichgezeichneten Umraumes nur wenige Tiefenagaben zu liefern im Stande ist.

Dieses Prinzip der Frontalität bedingt die Gegenüberstellung des Sehenden und des Gesehenen, damit die Durchsetzung eines autonomen Geltungsanspruches seitens der Figuren. Diesem kann sich die Künstlerin nur dadurch entziehen, dass sie einen stark querrechteckigen Bildausschnitt wählt, der die Figuren wie auf einem Fries anordnet, damit die Leserichtung von links nach rechts fördert.

Indes: jede einzelne dieser Figuren zwingt den Blick dazu, sie als autonom zu begreifen und unabhängig vom Umraum wahrzunehmen. Zwar ist ein Fortschreiten des Blickes nach rechts möglich - allerdings nur zu genau der gleichen Blickerfahrung der selektiven Wahrnehmung einer Person, unabhängig von dem andern. Auf diese Weise bestimmt das fotografierte Gegenüber die Wahrnehmung des Betrachters. Auch hier wird der Ort der Betrachteten aufgehoben. Dass es sich um Ampeln oder Warteräume handeln könnte, spielt keine Rolle.

Marie Girard unterscheidet sich von den anderen Arbeiten der ECAV, die im Dunkelraum Dia- und Beamerprojektionen nutzen. In diesen werden z.B. verunglückte, ausgebrannte, schrottreife Autos gezeigt, die eigentlich Schutz bieten sollten. Oder eine Diskothek im künstlichen Licht des Tages, ohne Menschen, mit Diskokugeln vor grau-schwarzen Wänden. Der ökonomische Minimalismus wird in einen Gegensatz zur wochenendlichen Traumwelt gebracht. Der „Nicht-Ort“ ergibt sich dort aus der Gegenüberstellung von Vorstellung und Realität, besteht aus den Wirkungen von Aspektwechseln. Unter den allgemeinen KünstlerInnen der Bieler Fototage sei auf die Serie „Park“ von Stefan Jäggi (Bilder 1, 2, 3, 4), gezeigt im Photoforum PasquArt, verwiesen, die das Prinzip ausarbeitet.

Die Bilder der Schule für Gestaltung Bern und Biel wurden in der „Alten Krone“ gezeigt, die der Ecole Cantonale D‘Art Du Valais (ECAV) im „Ring 10“.

Gefundene Nicht-Orte

Einen Eindruck klassischen fotografischen Könnens liefert Björn Allemann in seiner Serie „La Spiaggia“, in den Räumen der „Boîte à Images“ (Bilder 1, 2, 3, 4). Es handelt sich hierbei um grossformatige quadratische Schwarzweissabzüge auf Barytpapier, die Strandmobiliar und -einrichtungen ohne Menschen zeigen, ohne Angabe von Jahres- oder Tageszeit. Faktisch lässt sich anhand der Bildgegenstände ein konketes Datum nicht ermitteln. Dazu eignet sich eine Strandlandschaft nicht, besteht sie doch per se aus Strand, Himmel, allenfalls noch Wasser.

Pflanzen müssen in Kübeln stehen, wegen des salzigen Wassers in der Tiefe des Sandes. Damit gehören sie zur Einrichtung, und man darf sich ruhig fragen, welchem ökonomischen Zweck die verpackte Palme oder der nur dürftig bewachsene Stamm dienen, vor allem, wenn es sich um wenig Schatten spendende Hartlaubgewächse wie bei Alleman handelt. Auch dies sei ortsbildend. Der Nicht-Ort ergibt sich aus der Negation ihrer Funktion als Dekor, Gebietsgrenze und Schattenspender.

Der ästhetische Zweck der Gewächse liegt hingegen in der Gliederung des Bildes, wie der anderer Requisiten auch. Angesprochen werden hier von oben nach unten durch die Mitte des Bildes verlaufende Symmetrieachsen, die die Anwesenheit eines sehenden Fotografen durchaus thematisieren. Verunklärt wird diese Symmetrieachse jedoch durch zu beiden Seiten sich ausbreitende Aktionsräume, deren Definition über Geländer, Zäune, Blechpalisaden, Kachelwände und Stechpalmen erfolgt.

Björn Allemann folgt in einer solchen Darstellung dem bei Luzia Wantz schon ausgesprochenen Prinzip der Formulierung des Betrachters durch das Bild - hier allerdings weniger der Formulierung des fotografierenden als der des rezipierenden Auges. Der Blick bewegt sich dabei von Motiv zu Motiv, entdeckt immer wieder neue Aspekte entdeckt und versucht, aus dem Gewirr von Traktorenspuren um eine Strandbude den ständigen Motorenlärm und Dieselruss des Erzeugers zu erschliessen. Aus den achtlos weggeworfenen Taschentüchern und den vier begrenzenden Pfosten zum Meer das Treiben der Besucher zu ergründen. Die ersten Benutzer der Umkleidekabinen zu erwarten. Über und hinter den Blechzaun zu schauen.

Genau genommen erzählt Allemann mit seinen Bildern, und dies auf eine Weise, die nur das Lokal der Handlung beschreibt, und deren Spuren. Nicht aber die Handlungsträger. Sein der Zeit enthobener Nicht-Ort „Strand“ wird zum Ort, an dem bestimmte Sachen stattfinden.

Joël Tettamanti hat einen ähnlichen formalen Ausgangspunkt. Die sehr grossen Bilder seiner Reihe „Dahab“ sind im Photoforum PasquArt zu sehen (Bilder 1, 2, 3, 4). Er nutzt eine Wüstenlandschaft und einen wolkenlosen ägyptischen Himmel im farblichen Kontrast Ocker-Blau und setzt vor die überwiegend vegetationsfreie Horizontlinie eine Rohbauarchitektur, deren Wandverfüllungen überwiegend fehlen, so dass nur die struktiven Elemente des Baus sichtbar sind. Der topografischen Klarheit antwortet also die architektonische Beschränkung der nicht fertiggestellten Architekturen. In diesen ist kein Aufenthalt. Joël Tettamanti sorgt dafür, dass der Blick in Bewegung bleibt. Dabei unterstützen ihn die struktiven Elemente des Baus, die als lineare Werte leiten. Dabei unterstützt ihn die allgegenwärtige Baudurchsicht, die dem Blick keine Ansicht bietet, ihn vielmehr ständig auf den Umraum verweist.

Und es unterstützen ihn die populären Gestaltungsmittel rationalen Bauens, die Kompartimentierung einzelner Bauabschnitte, deren Rhythmisierung entland des Bildes von links nach rechts, in gleichbleibendem Abstand zum betrachtenden Auge, im Verlauf gestärkt durch ein Anheben des Horizontes in einen Berg oder die Darstellung eines weiteren Baugebildes im Hintergrund. Selbst in einer vermeintlich authentischen Folklorearchitektur sind solche rhythmisierenden Elemente noch vorhanden, wie sich in Gebälkpartien an nutzlos herumstehenden Hauseinheiten zeigt, deren schattige, aus der Wand geschnittenen, fensterlosen Öffnungen keine Strasse, sondern nur Geröll und Abfall verbindet.

Es wurde bereits die Grösse der Bilder erwähnt. Eine Höhe von 125 cm und die Breite von 160 cm laden den Betrachter zum Eintritt in das Bild ein, nehmen gewissermassen Bezug auf sein Sehfeld, stellen ähnlich wie Allemann das wahrnehmende Subjekt in einen Zusammenhang zum Bildganzen. Angesichts solcher Grössen gewinnen Details wie umherliegender Müll oder eine versteckte Palme an Bedeutung. Hier waren Menschen, aber die Verwahrlosung ist so total, dass niemand mehr zurückkehren wird.

Warum auch? Keine Anzeichen deuten darauf hin, dass die struktiv begonnenen Architekturen irgendwann fertiggestellt werden - im Gegensatz zu den Strandbildern Allemanns, in denen man Holzbuden, gebundene Zweige, Traktorspuren sieht. Nicht-Ort ist hier ein menschlicher Siedlungsplatz, der jedoch nicht seiner finalen Bestimmung, Ort für Menschen zu sein, zugeführt wurde.

Im gleichen Haus wurden auch Arbeiten von Ursula Mumenthaler gezeigt, „Agra“, das sind Ansichten von Fluren und Galerien entkernter Häuser, deren weiteres Schicksal unklar scheint (Bilder 1, 2, 3, 4). Zwar könnte man den bevorstehenden Abriss annehmen - jedoch zeigt sich eine seltsame Sauberkeit des gekehrten Bodens, die sorgsame Entfernung allen steinfremden Materials, die überzeugende Klarheit einer architektonischen Flucht, der für sich stehende künstlerisch-materiale Wert eines verwitterten Putzes.

Ähnlich gehen auch Stefan Jäggi und Benoît Vollmer vor. Jäggi zeigt Schweizer Vergnügungsparks - überbelichtet und ohne Besucher (Bilder 1, 2, 3, 4). Stefan Jäggi scheint es um das Vorhandensein belichtungswürdiger Lebensumstände zu gehen. Damit wird er zum Reprodukteur unserer Umgebung, auch wenn diese mitunter banal, verwahrlost oder auch hässlich sein kann. Dass er ein Auge für solche Motive hat, liegt, folgt man dem Katalogtext, an seiner Tätigkeit als Pressefotograf. Nicht-Orte sind für eine solche Bildauffassung Zeugen für und Anklagen gegen die Lebenshaltungen, die Kuriosität, die Dummheit und die Lieblosigkeit der Menschen, für die Jäggi sich interessiert.

In Vollmers Serie „Ex Nihilo“ entwickelt sich, dem Liniendiagramm eines Börsenkurses gleich, ein grauschwarzes Hotelband aus der linken Bildtiefe nach rechts, hinter einen grossen und fast leeren Parkplatz (Bilder 1, 2, 3, 4). Parkplatzmarkierungen nehmen die vertikale Schichtung der Stockwerke auf und variieren sie in der Ebene. Eine Böschung, ein bedeckter Himmel sowie eine kahle Hochgebirgslandschaft zeugen von einer real existierenden Umgebung für diese architektonische Leistung. Ähnlich ergeht es einem wuchtigen Hotelkomplex, der über einer zarten und herbstlichen Baumpflanzung thront, genauer gesagt in ein faszinierendes Spiel aus Grau- und Blautönen hineneinragt, das den Himmel beschreibt. Die nach links aufstrebende Übereckansicht bietet dem Auge Widerstand und unterstützt damit auch den Formkontrast zwischen der breiten, balkonierten Front und den nach oben spitz zulaufenden Richtungen der Nadelbäume.

Einzig Überbleibsel von Strassen, Hügeln, besagte Böschung und Autos im anderen Bild zeugen von menschlichem Dasein in einer solchen hermetischen Abgeschlossenheit aus Gebäude und Landschaft. Die Nicht-Orte Mumenthalers und Vollmers sind also durch ihren eigenen ästhetischen Wert geprägt, der der üblichen Verwendung des Ortes entgegensteht. So zeigen sich Vollmers fotografierte Architektur und Landschaft unwirtlich, obwohl es sich doch um La Tarantaise, ein Skigebiet handelt; und Mumenthalers Gänge und Flure laden zur Entdeckung ein, obwohl in Bälde Zerstörung und Nichtung drohen.

Die Titel „Zwischenstock“ und „Salons“ für die Bilder von Patrizia Karda sind sicher auch im Hinblick auf das Vorstehende treffend (Bilder 1, 2, 3, 4). Denn Frau Karda zeigt herrschaftliche Intérieurs einer merkwürdigen Stille, der die Gegenstände des alltäglichen Lebens entfernt wurden, z.B. Aschenbecher, Zeitschriften, Bücher, Bilder, Gläser, Getränke, elektronische Unterhaltungsgeräte - kurz: alles, was wir von den grossen Möbelausstellungen der Kaufhäuser her kennen. Dadurch werden Lebenssituationen genichtet; was resultiert sind Räume im Zustand der Privation.

Diesen Zustand empfindet man umso intensiver, als dass das Mobiliar nicht gegen Staub oder andere Verschmutzung geschützt ist, wie das normalerweise durch Tücher oder Verpackung überhaupt erfolgt. Prinzipiell stehen die Requisiten zum Gebrauch bereit, der jedoch nicht stattfindet. Ein Zwischenzustand, der es ermöglicht, das Bild zu betreten und ob der geschmackvollen Einrichtung zu staunen, der aber andererseits sehr subtil Einsamkeit und Verlassenwerden ausdrückt.

Die Eigenschaften des Nicht-Ortes bestehen für Frau Karda hier in der unmöglichen Festlegung zum Gebrauch oder zur Aufgabe. Umso bedenklicher wirkt diese Ambivalenz dadurch, dass die Raumeindrücke kontrastiert werden: die Räume öffnen sich nicht nur zum Betrachter, sondern auch in die Bildtiefe. Durch grosse Türen dringt Licht. Es besteht in erzählerischer Hinsicht die Möglichkeit, nach dort vorzudringen, wo es alltägliches Leben hat. Damit vereint in systematischer Hinsicht Patrizia Karda die von Benoît Vollmer und Ursula Mumenthaler rein entwickelten Fragestellungen von Merkwürdigkeit und Aspektentfaltung.

Patrizia Kardas Arbeiten wurden wie die von Benoît Vollmer im „Musée Neuhaus“ gezeigt. Ebenfalls zu sehen waren dort unter anderem die Bilder von Jon Naiman, dessen Reihe „Plain Air“ Landschaftsmaler vor städtischen Kulissen zeigt. Die Landschaften, die sie malen, entsprechend im Kolorit und der Perspektive durchaus der beobachteten Welt, wie sie sich auch dem Fotografen zeigt.

Jedoch äussert sich, und das zeigt Naiman ganz deutlich, im Malen eine selegierende Wahrnehmung, die störende Details ausblendet, damit aber im Wesen fotografisch-analytisch, nicht mehr eigentlich malerisch-synthetisch verfährt. Um dies zu erläutern, sie auf das Buch „L‘art de la photographie“ des Portraitfotografen André Adolphe Eugène Disdéri (1819-1889) verwiesen, in dem 1862 die fotografische Sehweise mit der malerischen verglichen wurde, wobei festgestellt wurde, dass der Fotograf aus dem Reichtum der vorgefundenen realen Welt auswählen solle, während der Maler der Wahrscheinlichkeit gemäss die Dinge auf der Leinwand zu versammeln habe. In der Fotografie wird Wahrheit also vorausgesetzt, während sie in der Malerei im Sinne der Wahrheitsähnlichkeit des vielschichtigen verisimilitudo-Begriffes eigens verwirklicht werden muss.(4) Naimans Bilder kehren diese Dichotomie um und verdeutlichen, wie sehr sich die Fotografie klassische, subjektive Sehweisen der Malerei angeeignet hat und wie sich die Malerei den fotografischen, objektiven Sehweisen nähert (Bilder 1, 2, 3, 4).

Ebenfalls im „Musée Neuhaus“: Sarah Girard. Frau Girard fotografiert Sitzflächen (Bilder 1, 2, 3, 4). Man sieht in ihrer Reihe „Cabinets“ durchgesessene Sitzflächen, dreiseitig umschlossen von Arm- und Rückenlehne, in einem sehr engen Ausschnitt, ohne zu wissen, was diese bedeuten sollen. Die Abwesenheit des sitzenden Menschen fällt im verknautschten Leder auf. Und dass es sich um einen Menschen handeln muss, das zeigen die anatomisch geformten Eindrücke, die jene Menschen auf dem Polster hinterlassen. Die formale Struktur der welligen Einbuchtungen entspricht als Negativ der positiven Schwere der Körperformen.

Nun gibt uns Sarah Girard eine folgenschwere Zusatzinformation an die Hand, nämlich die, dass es sich hinsichtlich der Sitzfläche um Patientensessel einer psychologischen Praxis handele. Diese Zusatzinformation, die in nichts aus dem Bild hervorgeht, verändert die Bedeutung der Sitzabdrücke, aus denen nun nicht mehr nur eine Person, sondern ein bestimmter, ein psychologisch gestörter Mensch zu erschliessen ist. So ist man versucht, aus dem naiven Blümchenmuster Rückschlüsse auf die Person zu ziehen, die in diesem Sessel Platz genommen hat. Ein verknautschtes Lederpolster gibt scheinbar Auskunft über die Schwere des Problems, das der betreffende Patient mit sich herumträgt. Sarah Girards Werk trägt konzeptionelle Züge. Mit den Bildern allein liesse sich wenig anfangen; ausschlaggebend ist die betreffende - ästhetisch nicht vermittelte - Zusatzinformation, durch die ein merkwürdiger Rezeptionsprozess im Betrachter ausgelöst wird.

Konstruierte Nicht-Orte

Eva-Fiore Kovacovsky zeigt ihre Reihe „In the Woods“ in der „Galerie Quellgasse 3“ (Bilder 1, 2, 3). In den grossformatigen Bilder findet eine Monumentalisierung des Kleinen statt. Das Kleine besteht aus putzigen Arrangements der Künstlerin, aus einer aus Zweigen gebastelte Leiter im Gebüsch, einer winzigen Treppung am Erdwall, einem Steg über ein Bächlein, einer Höhlung am Fusse eines mächtigen Baumes. Nüchterne, kühle Farben überwiegen und geben den Bildern Authentizität trotz ihrer drolligen Vorstellungswelt. Leicht überbelichtet wirkendes, von der Sonne angebleichtes Rindenbraun und -grün, indifferentes Nadelgrün und Laubbraun vom Vorjahr, bloss daliegende Schneeflecken, als Abwesenheit von Farbe, nicht als glitzernd-gleissige Charakterisierung von „Winter“ tun das Weitere. Und doch zwingt die übergrosse Abbildung eines Baumstammes den Betrachter zum Nähertreten, zur Bewunderung der Detailfülle, die nur eine grosse Auflösung zu liefern im Stand ist. Hier wird die Dokumentation des Realen zelebriert, ähnlich der Vorgehensweise der Bechers in der Industriefotografie.

Das kleine Format der Bauwerke bedingt eine geringe Tiefenschärfe der fotografischen Abbildung, weil die Kamera sich dem Sujet stark nähern muss. Das Aufnahmeformat - es ist eine Mittel- bzw. Grossformatkamera zu vermuten - dürfte die geringe Tiefenschärfe aufgrund der längeren Normalbrennweite noch unterstützen. Dass längere Brennweiten zum Einsatz kamen, das zeigt die Treppe im Waldboden, die ja nur wenige Dutzend Zentimeter groß sein kann, man vergleiche die Vegetation der Umgebung.

Die geringe Tiefenschärfe unterstützt den Eindruck der Zwergenhaftigkeit. Welches Kleintier, Waldwesen, welcher Zwerg mag wohl in dem kleinen Iglu wohnen, über den kleinen Steg schreiten, die Treppe herabkommen? Trotz der winterlichen Atmosphäre, trotz dürren, laublosen Gestrüpps, trotz der überwältigenden Macht eines einzelnen Baumes, zu dessen Füssen das entsprechende Lebewesen sich allenfalls verkriechen kann, regt sich Leben in diesen Waldstücken, die durch diese Belebung zu einem Ganzen verbunden werden.

Dass der Detailreichtum den Betrachter zum Nähertreten und das grosse Format zum Eintreten in den Bildraum bewegt, ist eine Sache. Dass die Zwergenhaftigkeit der kleinen architektonischen Arrangements die Bildrealität von der des Betrachters wiederum entfernen, die andere. Beides zusammen erzeugt den bezaubernden Reiz eines Umgangs mit Welt, wie wir ihn aus dem Spiel mit Puppen kennen, an dem wir zwar in unserer Kindheit teilnahmen, zu denen wir aber aufgrund unserer eigenen Andersartigkeit nicht gehörten.

Es zeigt sich anhand der Bilder von Eva-Fiore Kovacovsky, dass ein Nicht-Ort durch die Belebung mit handelnden, Tätigkeiten verrichtenden Lebewesen zum Ort werden kann, der einen eigenen Reiz entfaltet, an dem wir aber nicht (mehr) teilhaben. In letzer Konsequenz löst der Ort sich auf - sei es durch das Herantreten an den Baumstamm, dessen Rinde mikroskopisch erkundet wird, dessen Ganzes aber aus dem Blickfeld tritt, sei es durch die Schneeflecken links und rechts des Baches, der sich optisch aus dem Nichts verdichtet, sei es durch das undurchdringliche, substanzlose Geäst, dessen Richtungsangaben auch in der Vegetation des Waldbodens überallhin führen.

Caspar Wolf (1735-1783),(5) ein Maler der schweizerischen Vorromantik, dient Katrin Hotz als Ausgangspunkt (Bilder 1, 2, 3, 4). Malte der in Süddeutschland und Paris ausgebildete Sohn Muris Ölskizzen und -gemälde mit Ansichten der Schweizer Bergwelt, wodurch er den Grundstein legte für eine bis heute andauernde Sehnsucht nach romantischem Naturerlebnis, so hält Frau Hotz die Bergwelt durch den subjektiven Filter der eigenen Windschutzscheibe fest, in ihrer Reihe mit dem langen Titel „‚Vent favorable — l’âme diluée, le coeur entre les dents‘ oder ‚Was macht Caspar Wolf heute?‘“ Grosse Fotografien (A0) auf Wagenplanen, gezeigt im „espace libre“.

Die Windschutzscheibe steht, wie das Armaturenbrett oder die Hutablage, als pars pro toto für Mobilität im Sinne räumlicher Unabhängigkeit. Das Auto eignet sich enorm zur Verhinderung authentischer Naturerlebnisse, die immer auch Einflussnahme auf den Menschen bedeuten. Das Auto bietet Schutz vor Wind, Sonne, Regen. Im Auto fällt die eigene körperliche Anstrengung weg zur Einnahme einer räumlichen Position, gerade in Bergtälern. Der Scheinwerfer gibt uns die Möglichkeit zur Beleuchtung der Umwelt, im Gegensatz zu früher, als man noch mit Kerzen und Fackeln unterwegs war. Und die Mitnahme beliebiger Gegenstände war im 18. Jahrhundert - im Rucksack - ebenfalls nicht opportun.

Die Frage, was Caspar Wolf heute mache, wäre nach Frau Hotz einfach zu beantworten. Er bliebe im Tal, liesse sich durch die Gegend kutschieren und suchte Authentizität auf neuem Wege, abseits der ausgetretenen Bergsteige. Vielleicht in der Verinnerlichung. Daher ist seine einstmals so klare Sicht auf Vegetationen, Felsformationen, Gletscherbrüche, Wolkengebilde nicht mehr bildbestimmend. Es reicht, dass sie erkennbar sind, als Nachweis der räumlichen Anwesenheit der Fotografin.

Wenn Authentizität heute im Nachweis des faktischen Anwesenheit besteht, also rasch dokumentiert werden kann, nicht mehr als ganzheitliches Verspüren der lokalen Einflussnahme der Welt auf das Subjekt, dann können natürlich auch die Handschuhe auf der Ablage liegen bleiben. Dann reicht es, die Wolkendämmerung hinter der nassen Windschutzscheibe aus dem fliessenden Verkehr heraus festzustellen. Dann kann man auch mal einen paprikadurchzogenen Schnittkäse und vakuumverpacktes Dauerfleisch neben der Autobahnvignette liegen lassen. Oder ein selbstgestricktes grünes Etwas, vielleicht eine Kopfbedeckung, auf Flaschenbürsten, vor einer Tankstelle. Und die Welt antwortet ihr, gibt ihr Recht. Man sieht im selben Bild ein ausgesprochen hässliches Haus vor einem mächtigen, aber nur angedeuteten Bergtal, im anderen Bild die Trostlosigkeit einer Schweizer Dorfstrasse in der winterlichen Dämmerung, mit kahlen Bäumen, zum Zeitpunkt, da das Strassenlicht noch nicht an- oder schon abgeschaltet ist.

Vor diese Folie der Trostlosigkeit einer äusseren Welt blitzt uns Katrin Hotz in der Geborgenheit ihres Autos die seltsam-vertrauten Gegenstände an. Situationen, die uns in der Inszenierung einer anderen Erlebniswelt unser eigenes subjektives Empfinden verdeutlichen. Nicht-Ort ist hier die methodische Verneinung der topografischen Ortsdarstellung. Frau Hotz zeigt uns nicht einen Ort, sondern eine poetische Stimmung, die so auch Caspar Wolf durchdrungen haben könnte. So viel sei noch dazu vermerkt, nämlich dass das Bild als Träger dieser Poesie auf eine tradierte Bildgattung, das Stilleben, zurückgreift. Das kommt in anderen Werken, die allerdings nicht gezeigt wurden, deutlicher heraus.(6)

Mikhael Subotzkys Arbeit „Die Vier Hoeke“, gezeigt in der „Gewölbegalerie“, vereint die meisten Einzelbilder, die in zwei Sequenzen gezeigt werden. In der ersten Sequenz herrscht ein queroblonges Format vor, das zusammen mit einer vorwiegend reliefierenden Beleuchtung der Bildgegenstände und oft bildflächenparallelen Anordnungen einen in die Länge gezogenen Fries bildet. Die Präsentation im schmalen und langgestreckten Gewölbekeller der Galerie unterstützt diesen Eindruck, zumal die hellen optischen Werte der Werke im dunklen Betrachterraum Orientierung verschaffen und diesen auch im Nacheinander gliedern. Geschickt wurde die erste Sequenz, die stärker gelängt ist, am Eingang genutzt, so dass in der Sukzession des Betrachtungsweges die zweite Sequenz rechts davon abschliessen kann.

Was wurde gezeigt? Ein Gefängnis mit hohen Mauern, zumeist farbigen Insassen, in alltäglichen Passionen. Das Orange der Gefangenenkleidung hebt den Träger von der grau-blau-braunen Farbigkeit der Umgebung ab und nobilitiert die armselige Gestalt, auf die Wärter mit ihren Hunden in einem Gang einzudringen scheinen. Im Relief wird ein dösender Gefangener zum Christus im Grab. Eine Gruppe schlafender und wacher Gefangener in einer überfüllten Zelle schwillt nach rechts in Wellen an, um eine Gruppe von Jüngern am Ölberg zu bilden, unsensibel gegen jegliches individuelles Leid. Nahaufnahme: der Arm eines Drogensüchtigen, mit Drogenutensilien - die Hilfe beim Schuss gelingt zur Caritasgruppe.

Nicht-Ort ist hier der Gefängnisalltag, im Gegensatz zum himmlischen, finalen Königreich, das Jesus Christus zufolge nicht von dieser Welt ist. Oder etwas irdischer: Nicht-Ort ist der sichtbare Ort, an dem man sich besser nicht aufhält, weil er eine eigene Existenz vernichtet.

Im zweiten Bilderzyklus wird die Tiefe des Raumes erobert (Bilder 1, 2, 3, 4). Weniger erzählerisch als situativ wird der Betrachter ins Bild genommen, durch klare Gegenüberstellungen, Hinführungen in die Bildtiefe, leere Plätze, in die Tiefe schreitenden Wärtern mit aufblitzendem Metall von Ketten, die hinterhergezogen werden. Damit wird die Aufnahmesituation betont, in der sich Mikhael Subotzky befindet. Diese wird z.B. durch das Blickgegenüber eines Mannes in einer Wäschetrommel, durch eine irreguläre Position zwischen angetretenen Gefangenen beim Bettenappell, durch einen erhöhten Standpunkt über einem mit mörderischen Stacheldraht bewehrten Hofgeviert gekennzeichnet.

Stacheldraht, ein Bett, die Öffnung der Wäschetrommel, ein kompositorischer Riegel aus fünf auf dem Boden knieenden, einen langen gang schrubbenden Gefangenen: diese Werte verhindert jedoch den finalen Eintritt ins Bild, und hier schliesst sich der Kreis zu den eingangs erwähnten Bildern der Fabienne Bartel, der Studentin der Schule für Gestaltung Bern und Biel. In diesen wurde ein merkwürdiger Gegensatz aus Zugänglichkeit und Verwehrung festgestellt, der einerseits das Bild authentifizierte, andererseits aber auch das Schicksal der Protagonistin unabhängig von unseren Einflussmöglichkeiten festlegte.

Indem Mikhael Subotzky mit kompositorischen Mitteln Barrieren in die Zugänglichkeit der Bilder stellt, separiert er die Abgebildeten von der Lebenswelt des Betrachters. Der Nicht-Ort besteht auch hier in der Vorwegnahme des letztendlich realisierten Lebensentwurfes - allerdings nicht durch die Protagonisten, sondern durch die Macht der Gefangennahme.

Anmerkungen

  1. Geschichte der Bieler Fototage
  2. Vgl. Pressedossier
  3. Quelle: Website der Bieler Fototage
  4. Disdéri, Eugène: Essai sur l‘art de la photographie. Anglet, 2003 (2. verkürzte Aufl.). Vgl. S. 88
  5. Zur Biografie vgl. Caspar Wolf im Aargauer Kunsthaus
  6. Quelle: Website von Katrin Hotz

Links

Neben den Biografien auf der Website der Bieler Fototage sei auf folgende Links verwiesen:

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