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Texte zu Kunst und Philosophie
ISSN 1437-3777

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Ulrike Guggenberger: Azra Ak¨amija: Kunstmoschee. Projekt in der Secession Wien, Juli bis September 2007.

Azra Ak¨amija, KUNSTMOSCHEE, Secession 2007 Architektur und konzeptionelle Mitarbeit: Heidi Pretterhofer (Arquitectos)

Mitunter wird die Secession in Wien auch als "Kunsttempel" bezeichnet. Eine temporäre "Kunstmoschee" errichtet nun die in Bosnien geborene Künstlerin Azra Ak¨amija nach eigener Intention im rückwärtig gelegenen Gartenbereich der Secession. Eine Installation sechseckiger und in verschiedenen Farben ausgeführter Holzplatten, bedeckt in Gestalt aneinander gefügter Module die Rasenfläche der Gartenzone und spiegelt in ihren Außenmaßen die dem Garten gegenüberliegenden Ausstellungsräume im Museumsgebäude wider. Mit dieser gleichsam aus vielen einzelnen Gebetsteppichen zusammengesetzten Fläche verknüpft Azra Ak¨amija die Museumsarchitektur mit der Grundstruktur einer Moschee.

Azra Ak¨amija, KUNSTMOSCHEE, Secession 2007, Photo: Pez Hejduk

Azra Ak¨amija, KUNSTMOSCHEE, Secession 2007, Photo: Pez Hejduk

Azra Ak¨amija greift für ihre Installation auf den Reichtum althergebrachter Bilder zurück. Für das im Raum Religion, Gesellschaftspolitik und Kunst angesiedelte Projekt bedient sie sich beispielsweise der Ornamentik und der in allen Kulturen vertrauten Analogie des Gartens als einem Kultur-Raum zwischen Künstlichkeit und Natur.

Mit Ortswahl und Material lässt sie Assoziationen zu, die an den Hain, als heiliger Ort für Gebet und Kontemplation, Hinwendung an einen Gegenstand der Verehrung, erinnern. Was üblicherweise im geschützten Innenraum, im Innenhof oder zumindest in umfriedeter Gartenfläche seinen Platz hat, legt sie in den öffentlichen Raum.

Indem Azra Ak¨amija die Maße eines Ausstellungsraumes des Museums Secession in den außen gelegenen Gartenbezirk überträgt, macht sie ihr Konzept deutlich. So errichtet sie Kunstmoschee nicht etwa in der Nähe eines religiösen Bezirkes, einem Ort der Religion, sondern als bildende Künstlerin, ihrem persönlichen Zugang entsprechend, an einem mit Tradition und Aura besetzten Ort der Kunst.

Selbst aus dem islamischen Kulturkreis Bosniens stammend, sucht Azra Ak¨amija in respektvollem Umgang mit der muslimischen Religion einen neuen Zugang und neue Bilder zu entwerfen. Nach all den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen durch den Krieg in Bosnien und Herzegowina erscheint gegenseitiges Lernen voneinander als hilfreich.

Ursprüngliches Modell für die Architektur frühislamischer Moscheen war das Wohnhaus Mohameds in Medina. Auf diesem architektonischen Muster baut auch Azra Ak¨amija auf. Sie abstrahiert für die Kunstmoschee im Garten der Secession das Prinzip des großzügigen Innenhofes einer muslimischen Gebets- und Versammlungshalle und hebt mit dieser Annäherung auch den sozialen Charakter ihres Projektes hervor.

Azra Ak¨amija, KUNSTMOSCHEE, Secession 2007. Architektur und konzeptionelle Mitarbeit: Heidi Pretterhofer (Arquitectos)

Mit dieser Übertragung verweist Azra Ak¨amija gleichzeitig auf die Autonomie geistiger Haltung von örtlicher Gebundenheit. Wer sich innerlich auf das Gebet zurückzieht, der kann sich an jedem Ort der Welt seiner Andacht hingeben.

Ein weiteres Element der abstrakten Annäherung an ein aus dem Glauben an den Propheten Mohamed geprägtes Gebetshauses, begründet sich aus der Situierung der Kunstmoschee unter freiem Himmel im Außengelände der Secession. Ursprünglich, noch bevor es im Islam zu prachtvollen baulichen Anlagen kam, war der Innenhof der ersten Moschee lediglich überdacht. Azra Ak¨amija behält diese Grundstruktur eines religiösen Bezirks bei.

Eine der frühesten Kunstäußerungen des Menschen zeigt sich dabei in der Verwendung ornamentaler Formen, die an einen bestimmten Träger gebunden sind. Die in der muslimischen Tradition reich entfaltete Kunst geometrischer Formen, die sich zu schmückenden, symbolischen Zeichen verbinden, wird von Azra Ak¨amija in ihrem Projekt auf ein Grundmotiv arabischer Ornamentik, das Sechseck, zurückgeführt. Auf dem Gelände der Secession, die ursprünglich aus der Bewegung kunsthandwerklicher Werkstätten hervorging, bekommen derartig ornamentale Anordnungen eine neue Zuschreibung. Eingeladene Personen und Gruppen verschiedener Religionszugehörigkeit verlegen diese Module gemeinsam und erschaffen auf diese Weise einen interreligiösen Gebetsteppich.

Azra Ak¨amija, KUNSTMOSCHEE, Secession 2007. Architektur und konzeptionelle Mitarbeit: Heidi Pretterhofer (Arquitectos)

Azra Ak¨amija, KUNSTMOSCHEE, Secession 2007. Architektur und konzeptionelle Mitarbeit: Heidi Pretterhofer (Arquitectos)

Standort der Installation Kunstmoschee, die sich aus architektonischen wie bildnerischen und religiösen Anteilen zusammensetzt, ist somit eine brachliegende Grünfläche, als Boden symbolischer Neubesetzung für die Tragfähigkeit veränderter Gesellschaftsformen.

1976 in Bosnien, Sarajevo geboren, ist Azra Ak¨amija Zeitzeugin des aus ethnischen Gründen ausgebrochenen Konfliktes in Bosnien und Herzegowina. Mit der Installation Kunstmoschee verkündet sie ihr Vertrauen in eine Vision: Anbruch einer friedlichen, multikulturellen Zukunft, ein neues Mekka.

Das Bild des Gartens als ein Ort irdischen Paradieses ist in westlichen wie östlichen Kulturen mit religiösen und bukolischen Inhalten besetzt. Den idealisierenden Phantasien legt sich die Lage des Gartens an einer der Hauptadern des städtischen Verkehrs in Wien radikal quer und betont damit ein weiteres Mal die ideelle Freiheit von konventionellen Orten.

Azra Ak¨amija, KUNSTMOSCHEE, Secession 2007. Architektur und konzeptionelle Mitarbeit: Heidi Pretterhofer (Arquitectos)

Als gesellschaftspolitische Plattform verkörpert das Projekt Kunstmoschee im Garten der Secession das künstlerische Programm Azra Ak¨amijas, religiöse Fragen und Befindlichkeiten der Sozietät im Feld der Kunst zu fokussieren.

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Zur Autorin

Mag. Ulrike Guggenberger studierte Kunstgeschichte an der Universität Salzburg. Gründungsmitglied der Kunstinitiative "KNIE" sowie der ARGE "Werkstatt im Fluss". Projekte zu Kunst im öffentllichen Raum, freie Journalistin und Kunstvermittlerin am Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg. "Werkstatt im Fluss" ist unter "salzachwerkstatt. at" im Netz zu finden.

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